UPDATE
Juni 2017-05-29
Sehr lange habe ich nichts mehr Neues geschrieben auf unserer Seite. Wohl auch deshalb, weil einfach Alles so vor sich her läuft, nichts Gravierendes passiert, eigentlich. Ich wollte mich auch nicht ständig wiederholen, Euch langweilen. Wer uns persönlich kennt oder engeren Kontakt zu uns hat, ist sowieso meist auf dem bescheidenen Laufenden.
In der Zwischenzeit allerdings bewegt sich teilweise etwas, wenn auch nicht überall unbedingt in die Richtung, die wünschenswert wäre.
Ricky
Für Ricky war es eine spannende Zeit und ich freue mich sehr für ihn. Er spielte in einem richtigen Theaterstück eine tragende Rolle und hat Gefallen an seiner neuen Seite gefunden. Auch im musikalischen Bereich gibt es jetzt eine Musikgruppe, der Ricky sich angeschlossen hat und auch richtige Auftritte als Gitarrist und Sänger mit zum Besten gibt.
Dieses Jahr sei wohl sein Bühnenjahr, meinte er stolz.
Für jeden Tag den Ricky glücklich ist, bin ich dankbar und ich hoffe sehr, dass er viele glückliche Tage erleben darf und sein Leben ihm Erfüllung bringt.
Martin
Nun leider beginnt für Martin anscheinend eine andere Zeit. Er schläft sehr viel, ist kaum noch belastbar und ich sehe die letzten 8 Jahre seines Lebens als Geschenk für uns, vielleicht auch als die Möglichkeit, endlich seine körperliche Veränderung seit der Hirnblutung 2009 annehmen zu können, einen wirklichen Abschied ertragen zu können, sofern dies überhaupt möglich ist. Wenn man sich einem Menschen oder Lebewesen so sehr verbunden fühlt in Liebe, ist es sehr schmerzvoll diesen endgültigen Abschied von seinem Erdenleben annehmen zu können, obwohl kopfmässig schon klar ist, dass jedes Lebewesen irgendwann den Raum wechseln muss. Sicher nicht nur für uns, Martins Familie, sicher auch für einige Mitarbeiter der Einrichtung und unsere Freunde, die sich teilweise sehr liebevoll um Martin bemühen und ihm zeigen , sie sind noch da für ihn und er ist wichtig, er wird nicht vergessen.
Noch immer bin ich der Meinung, dass Martin dieses Leben gegeben wurde, um etwas mehr Liebe und Freundlichkeit in die Welt zu tragen und vielleicht den einen oder anderen Menschen zu lehren, was Demut bedeutet. Martins Leben ist ein Geschenk für uns.
Melli , die Gruppenleiterin der Wohngruppe ist mit Martin noch vor drei Jahren zu einem Autorennen auf dem Nürburgring gefahren. Mutig von ihr und toll für Martin, der ja Autorennen schon immer spannend fand. Irgendwann hat mir eine Frau gesagt, Martin sei in einem früheren Leben Autohändler gewesen, was ich mir lebhaft vorstellen kann. Aber auch hier wurde klar, eigentlich sind solche Unternehmungen zu viel für ihn inzwischen. Martin hat die Kraft nicht mehr, wohl aber noch die Freude und das Interesse. Sein geschwächter Körper gibt ihm leider nicht mehr zu viele Möglichkeiten mitten drin und überall dabei sein zu können.
Letzen Sommer gab es, wieder mit der Gruppenleiterin, einem weiteren Bewohner der Wohngruppe und einer weiteren Betreuerin, für Martin noch eine tolle Fahrt nach Frankfurt, mit Hotelübernachtung, zu einem Rihanna Konzert. Die Karten dafür hatte Melli für Martin als Weihnachtsgeschenk besorgt . So konnte Martin ein paar Monate Vorfreude auf diese Happening genießen, was ihm sicher sehr gut getan hat.
Auf Rihanna fährt Martin nun schon seit vielen Jahren voll ab, er mag auch den Trubel einer Veranstaltung, aber auch hier zeigte sich, eigentlich ist es kräftemäßig nicht mehr zu packen für Martin, der in diesem Jahr erst 31 Jahre alt wird.
Das Hotel lag in der Flugschneise zum Frankfurter Air Port und so gab es noch ein weiteres Schmankerl zu diesem Ausflug dazu, Flugzeuge aus der Nähe beobachten zu können bei Start und Landeflügen.
Mir fällt es sehr schwer, zu erleben, dass es keine Verbesserung mehr gibt für mein Kind und dass Martin immer näher dahin kommt, den Raum wechseln zu müssen.
Jürgen und ich haben im letzten Jahr die Rechte an einem Friedbaum erworben, um einen letzten, irdischen Ruheplatz für uns Alle zu haben, der unserem Naturell entspricht und von der deutschen Bestattungspflicht her, technisch auch finanzierbar ist. Da wir für Martin nur Pflegeeltern und Betreuer sind, und wissen, dass diese Funktionen mit dem Sterbezeitpunkt erlöschen, haben wir vor einigen Wochen die zuständige Behörde angeschrieben und gefragt, ob es uns überhaupt erlaubt ist, Martin unter unserem Familienfriedbaum beisetzen lassen zu dürfen. Antwort haben wir nach Wochen erhalten, auf eine weitere Nachfrage, es stehe dem nichts im Weg. Kann sein, dass wir mit dieser Frage zu exotisch rüber kamen und sie uns deshalb nicht umgehend beantwortet wurde. Aber irgendwie können wir uns nicht vorstellen, Martins letzte Ruhestätte nicht mit uns gemeinsam zu teilen. Es ist einfach eine Herzenssache die nicht einfach so zu erklären ist.
Für uns Oldies ist es wichtig, dieses Bestattungsvorsorge geklärt zu haben und somit auch für Ricky, wenn es für uns soweit sein wird, für keinen noch größeren Stress zu sorgen, als er eh aufkommen wird, er hat dann diesbezüglich einfach alles klar.
Immer noch ist Martin ein zufriedener, freundlicher , junger Mann. Er hat sich mit seiner körperlichen Veränderung arrangiert, was bleibt ihm auch Anderes übrig.
Steffi
Eigentlich muss für Steffi alles in gleichbleibenden Bahnen verlaufen, bloß keine Veränderung und doch hat sie den Umzug mit ihrer geliebten Werkstatt in einen anderen Stadtteils Markgröningens, weg vom Einrichtungsgelände- in ein großes, modernes, helles, geräumiges Gebäude, erstaunlicherweise gut angenommen. Wir hatten zu Anfang Bedenken, dass sie es verweigern könnte, dort genauso gerne arbeiten zu gehen, wie in den Räumen der Einrichtung, ihrem seit 12 Jahren vertrauten Bereich.
Es war halt so und alle Anderen sind ja auch dort und so ist es dann auch für Steffi okay gewesen. Lediglich eine Ungereimt gab es in den ersten Wochen, nach dem Umzug der WfB in die neuen Räume.
Die Mitarbeiter werden nun am Morgen immer von einem Fahrdienst abgeholt an der Einrichtung, und direkt zur WfB gefahren. Eine der Busfahrerinnen wollte Steffi nicht gestatten, auf dem Beifahrersitz Platz zu nehmen für die Fahrt, was aber Niemand anfangs mit bekam. So hat Steffi sich dann einige Tage am Morgen zu Fuß auf den Weg zur Werkstatt gemacht, was ja eigentlich nicht sein sollte. Zufällig fuhr eine Mitarbeiterin der Verwaltung auf dieser Strecke und erkannte Steffi und somit kamen dann die Recherchen in rollen. Steffi bockte weiter, was schon recht typisch ist für viele Menschen mit Down Syndrom, weil ihr absolut nicht gefiel, nicht die Frontfrau im Bus sein zu dürfen und es brauchte ein paar direkte Worte von mehreren Seiten, bis sie wieder in den Bus einstieg und einen der hinteren Plätze akzeptierte.
Brigitte ( also ich)
Seit 3 Jahren darf ich mich nun Rentnerin nennen, nicht mit einer Superrente, aber immerhin. Falls nun Jemand meint, ich müsste Zeit und Langeweile ohne Ende haben, der irrt gewaltig.
Immer noch übernehme ich Einsätze für die Nachbarschaftshilfe unserer Kirchengemeinde, begleite mein Ehrenamt als Beraterin für den MMB und somit komme ich auf eine 100% Arbeitswoche.
Hausarbeit und Gassigehen mit unseren Wuselmäusen lasse ich etwas gemütlicher angehen, da ich einfach keine Lust mehr habe, mich abhetzen zu müssen. Wozu auch? Wir haben kein 5 Sterne Hotel und Übernachtungsbesuch, der zu uns kommt, muss damit leben, dass ich es immer noch nicht geschafft habe, die Superhausfrau zu sein, die immer aus den Werbeclips im TV in die Wohnzimmer lächelt, wenn wieder Alles porentief rein ist. Außerdem macht mein Rücken recht oft Probleme und ich kann einfach nicht mehr jede Bewegung machen ohne nicht wieder länger ausgeschaltet zu sein.
Mir ist es lieber, mich um lebendige Materie zu kümmern, als um Desinfektionsmittel und Meister Propper aus der Dose.
Zu Sammy kam in diesem Jahr noch ein 6 jähriges Dackelmischlingsmädchen aus Rumänien in das Familienrudel und die Hundis sorgen dafür, dass wir auch ausreichend Auslauf bekommen, auch wenn es regnet oder schneit.
Jürgen
Mein lieber Mann spürt auch das Älterwerden und gesundheitliche Probleme, die es so mit sich bringt.
Leider ist es für seinen Dienstposten nicht vorgesehen, in den Vorruhestand gehen zu können und somit muss er durch halten bis zum regulären Ende seiner Dienstzeit, nur gute 5 Jährchen.
Ich hoffe sehr, dass es uns dann noch gut genug geht, noch das Eine oder Andere gemeinsam unternehmen zu können, für das uns so bislang Zeit und Kraft fehlt.