MDK streicht Ergotherapie
Januar 2012
Und das bei meinem schwer behinderten Sohn, der durch eine Hirnblutung 2009 fast alles verloren hat, außer seinem Verstand und seinen liebevollen Charakterzügen.
Als er 2009 völlig bewegungslos, mit Tracheostoma und PEG Anlage vom Krankenhaus zurück zu seiner Wohngruppe entlassen wurde, verordnete der Heimarzt völlig sinnvoll und berechtigt, Physiotherapie und Ergotherapie, anfänglich logischer Weise mehrmals die Woche, um den jungen Mann wieder etwas auf zu bauen und zu schauen, was kommt zurück und wie.
Wer Menschen nach wochenlangen, künstlichen Koma erlebt hat, weiß, wie notwendig jede noch so kleine Therapieeinheit und Zuwendung ist.
Nach zwei Jahren kam ein Anruf der Ergotherapeutin ob ich schon wüsste, dass der Doc. keine Verordnungen mehr für die Ergo aus stellen darf auf Anweisung und Prüfung der Situation durch den MDK.
Natürlich wusste ich nichts davon, wieso sollte die KK auch eine Mutter und Betreuerin eines schwerbehinderten Kindes über solche Streichungen informieren? Großes Unverständnis kam in mir auf und ich veranlasste zuerst Weiterbehandlung durch die Ergo, wie gehabt, auf Privatrechnung.
Wieso sollte mein Sohn leiden durch solch eine dumme, unqualifizierte Maßnahme? Er weiß und spürt, wie wichtig diese Therapien für ihn sind und er mag seine Therapeutinnen sehr, hat sich an sie gewöhnt und freut sich auf sie.
Dann wollte ich vom Doc sämtlichen Schriftverkehr zu diesem Thema in Kopie haben und musste nach Erhalt fest stellen, dass diese Streichung lediglich durch Einsicht in die Akte statt fand.
Mit der handschriftlichen Bemerkung des Gutachters, das Schicksal des jungen Mannes sei zwar traurig, aber Krankengymnastik einmal pro Woche sei völlig ausreichend.
Mein Blutdruck ist seit dem Supergau meines Sohnes eh schon kaum mehr in die richtige Richtung ein zustellen, nach Lesen dieser Worte war er wahrscheinlich vorübergehend nicht mehr messbar.
Nun teilt uns ja die KK bei jedem Schriftverkehr mit, dass wir doch bitte anrufen sollten, wenn es Klärungsbedarf, Fragen gäbe.
Diesen Anruf habe ich nun meinen Göga tätigen lassen, weil er wesentlich ruhiger und sachlicher in der Gesprächsführung vorgeht, irgendwie kann ich es nicht mehr so im Laufe der Jahre. Kommt ja immer wieder mal was vor und es geht mir tierisch auf die Nerven inzwischen. 25 Jahre sind einfach genug, immer wieder Dinge gerade bügeln zu müssen, die Andere verzapfen auf dem Rücken von hilflosen Personen.
Göga wurde vom Sachbearbeiter per Telefon erklärt, dass selbstverständlich der Hausarzt weiterhin Ergo verordnen dürfe, wenn er der Meinung sei, es wäre notwendig.
Der Hausarzt hatte es aber schriftlich von der Kasse, auch nach seinem schriftlichen Einwand, dass es besonders im Falle meines Sohnes wichtig sei und auch kleine Fortschritte vorzuweisen sind, dass er nicht mehr verordnen darf und wollte natürlich verständlicher Weise nicht der Prellbock sein zwischen KK und uns.
Nun haben wir uns erdreistet und schriftlich von der KK die Bestätigung verlangt, dass der Hausarzt, ohne in Regress genommen zu werden, weiterhin und ungekürzt, Ergo für unseren Sohn verordnen darf.
Die Leute von der KK telefonieren aber lieber, wahrscheinlich um die nervenden Antragsteller ruhig zu stellen und keine rechtsverbindlichen Zusagen in schriftlicher Form zu hinterlassen. Mündliches gilt ja nicht wirklich, scheint irgendwie gewollt zu sein.
Mehrmalige, beharrliche schriftliche Aufforderungen unsererseits folgten, doch bitte endlich schriftlich mitzuteilen, dass---na das kennt Ihr jetzt schon.
Nachmittags, Wochen später, klingelt das Telefon, ich gehe ran, wer ist dran? Unser Freund und Helfer der KK, der lieber mal wieder telefonieren möchte.
Er erzählt- mal wieder,- wenn der Doc. es für notwendig hält, dann darf er.
Nun war mein Blutdruck wieder mal nicht messbar und ich war einfach nur noch stinksauer.
Eigentlich sollte ich in so einer Verfassung besser mit überhaupt Niemanden reden, schon gar nicht mit einem gerne telefonierenden SB der KK.
Göga saß mir mit großen Augen im Sessel gegenüber, ich hatte das Telefon besser gleich mal auf mithören gestellt.
Dann habe ich dem SB sehr deutlich mitgeteilt, wenn nicht ganz schnell, endlich das schriftliche Okay zur Weiterverordnung der Ergo für meinen Sohn bei uns und bei dem Doc. mit der Post ankommt, bin ich ganz schnell bei einem Anwalt und werde das Sozialgericht diesen ungerechtfertigten Schwachsinn klären lassen.
Da sei wohl System dahinter, die Mitglieder für dumm zu verkaufen und wieso es überhaupt dazu kommt, dass ein MDK Gutachter lediglich nach Aktenlage völlig unqualifiziert eine notwendige Therapie bei einem schwer behinderten Menschen streicht, der absolut nichts für seine traurige Situation kann, und dem diese Therapie sehr wohl hilft, dazu beiträgt, dass sich seine Gesamtsituation wenigstens etwas verbessert.
Jeder Alkoholiker und Drogenabhängige bekommt Entgiftungen, Reha, Substitution ein Leben lang, hat seinen Zustand selbst verschuldet, wieso also soll mein Sohn keine Ergo mehr verordnet bekommen, der sich sein Schicksal nicht ausgesucht hat?
Der SB meinte etwas leiser als bei seinen ehrenwerten Worten vorher, da müsse er dann doch erst nochmal mit seinem Vorgesetzten reden. Ich meinte dann nur trocken- dann machen Sie das, aber bitte zügig und nicht erst nach nochmals einem halben Jahr Wartezeit.
Fünf Minuten später rief er wieder an, um nun die erfreuliche Nachricht zu überbringen, dass das von uns gewünschte Schreiben per Post heute noch raus gehen würde.
Wozu so eine Gesäßbeschleunigung doch auf einmal gut sein kann, seufz.
Mein Mann grinste und meinte , das hat der Typ jetzt gebraucht, hast Du gut gemacht, völlig korrekt. Du hast in einer sachlichen, ruhigen aber unterschwellig ,direkten, deutlichen Art und Weise klar gemacht, dass hier eine Mutter für das Wohlergehen ihres Kindes kämpft und nun nicht mehr bereit ist, sich mit unverbindlichen telefonischen Auskünften zufrieden zugeben.
Und ich hatte schon Bedenken, dass ich den SB beleidigt hatte oder unfreundlich gewesen sein könnte.
Das besagte Schreiben, das nach zwei Tagen wirklich da war, bestand dann aus einem Satz, völlig ausreichend. dass für die notwendig erachtete Ergotherapieverordnung keine Einwände bestehen.
Darunter dann wieder der obligatorische Satz, „haben Sie hierzu noch Fragen, dann rufen Sie mich bitte an".
Der Doc fand unsere Reaktionen super, grinst nun jedes Mal wenn er uns irgendwo sieht und wir haben ihm genehmigt, wo, wer auch immer solche sinnlosen Streichungen der KK erfährt, er darf unseren Schriftverkehr und die Gesprächsnotizen gerne weitergeben zum Mut machen, ebenso vor zu gehen.
Lediglich die Ergotherapeutin hat nun etwas Mehrarbeit. Wahrscheinlich traut der Doc. dem Frieden mit KK in dieser Sache nicht so ganz, und ein jedes Mal, wenn eine neue Verordnung angefordert werden muss, verlangt der Doc. nun einen Bericht über den Zeitraum der letzten Verordnung.
Nun hoffe ich sehr, dass nicht schon bald wieder Ähnliches von Irgendwoher auftaucht-ich mag nämlich nicht mehr.