Das kleine Gespenst von Beringstedt
- eine wahre Geschichte?
Brigitte Betzel-Haarnagel
Oh hallo, schön, dass Du da bist und dass Du Dich zu uns verirrt hast.
Es freut mich wirklich sehr , Dich und Deine Freunde kennen zu lernen. Darf ich Euch jetzt vielleicht eine spannende Geschichte erzählen?
Okay, danke, dass Ihr mir zu hören möchtet. Es geht auch sofort los!!!
Also - ich habe da , vor noch gar nicht all zu langer Zeit etwas erlebt, was ich mit Sicherheit mein ganzes Leben lang nicht mehr wieder vergessen werde.
So manches Mal habe ich schon ein kleines bisschen daran gezweifelt, ob ich nicht vielleicht doch alles nur geträumt habe. Aber - hier habe ich ja extra alles aufgeschrieben, also muss es auch tatsächlich so passiert sein.
Das Dumme ist nur, wenn ich diese Geschichte jemandem erzähle, werde ich immer ganz merkwürdig angeschaut von meinen Zuhörern. Möglicherweise wird meiner Erzählung kein Glaube geschenkt, tststs.
Ich bin mir aber sicher, so etwas Wunderbares kann eigentlich bestimmt kein Traum gewesen sein. Oder vielleicht doch? Aber, lest nun bitte selber über dieses wunderbare Erlebniss hier nach und findet es heraus.
Und wenn Ihr noch Fragen habt dazu, dann ruft mich einfach an oder schickt mir einfach eine Email. Ich werde Euch gerne antworten. Und nun geht es auch schon los.
Jeden Tag, wenn ich am Morgen in der Frühe aufstehen muss, ist es meistens noch ganz schön dunkel und finster draußen. Vor allem, wenn nicht gerade Sommer ist und die liebe Sonne mit ihrer Frühschicht bereits gegen vier Uhr beginnt.
Das ständige frühe Aufstehen fällt mir wirklich riesig schwer, vor allem, weil ich, wenn mein Radiowecker mir mit lauter Musik sagen muss es ist 5.30 Uhr, Brigitte aufstehen -gerade immer dann so wunderschöne Träume habe, die ich so leider nie zu Ende träumen kann. Das fühlt sich dann ungefähr so an, als würde Eure Mama mitten in einem guten Film den Fernseher ausschalten und Ihr würdet so das Ende des Films gar nicht sehen können. Aber es hilft mir alles nichts, ich muss ja schließlich auch meine drei lieben Kinderchen wecken am Morgen und dafür sorgen, dass sie immer pünktlich ihren jeweiliegen Schulbus erreichen.
An diesem Morgen jedenfalls hatte ich mich tüchtig beeilt und zuerst mal ganz schnell geduscht, weil ich später am Morgen keine Chance mehr habe, alleine und in Ruhe im Badezimmer sein zu können. Danach setzte ich die Kaffeemaschine in Betrieb, wie an jedem Morgen, weil mich der aromatische Duft von frischem Kaffee immer wieder aussöhnt mit dem ach so frühen Aufstehenmüssen .
Gerade als ich damit beginnen wollte das Frühstück für meine lieben Kinder vorzubereiten , dachte ich, aus dem Garten kommend plötzlich ein merkwürdiges Geräusch gehört zu haben.
Unser Garten ist ein sehr schöner Garten mit vielen Obstbäumen und bunten Blumen in dem ich gerne und viel arbeite. In diesem Garten treffen sich schon ganz früh im Morgengrauen viele verschiedene Vögel um dem jungen Tag regelmäßig ein herrliches Morgenständchen zu bringen. Ab und zu huscht auch noch ein Igel durch die Büsche hindurch um nach getaner Nachtarbeit, müde und satt unter Nachbars Fahrradschuppen in den späten Abend hinein zu schlafen. Manchmal sind auch noch einige der Nachbarkatzen auf Erkundungsgang hier in unserem Garten und die können vielleicht einen abscheulichen Lärm veranstalten, das kann ich Euch sagen. Es hört sich dann gerade so an, als ob 35 Babys gleichzeitig ganz laut schreien und brüllen, weil sie denken, sie müssen verhungern und niemand bringt ihnen ein leckeres Buddelchen mit Grießmilch oder Haferschleim um sie zu erlösen von ihrer Qual des hungrig seins.
So dachte ich auch zuerst an das grazile, schwarze Katzenfräulein mit dem buschigen Schwanz, das drei Häuser weiter weg wohnt und sich immer heimlich mit unserem dicken, graugetigerten Kater Bommel trifft um mit ihm gemeinsam durch die Felder hier in der Gegend zu streunen um Mäuse und Ratten zu erschrecken. Aber irgendwie, irgendwie hörte sich dieses Geräusch am Morgen da draußen doch ziemlich fremdartig und besonders an.
Wie schon gesagt, es war noch ziemlich finster und dunkel draußen und gerade so eben erst konnte man vermuten, dass es endlich so ganz langsam heller werden sollte. Deshalb warf ich erst einmal nur einen ganz vorsichtigen Blick durch die Glasscheibe der geschlossenen Terrassentür.
Ein weißer, sich leicht bewegender Schatten war zu erkennen, und ich nahm an, dass mir mal wieder wohl der quirlige Wind, genau so, wie an den letzten Tagen, einen kleinen Schabernack spielte. Der Wind hatte so schon einige Gegenstände einfach klamm heimlich ganz woanders hingepustet, als ich dachte, sie hingelegt oder hingestellt zu haben.
So nahm ich erst mal an, dass der lauselümmelige Wind von meiner Wäscheleine die in der Garage angebracht ist, falls es regnet und draußen keine Wäsche trocknen kann, einfach etwas stibitzt hatte, was ich dort zum trocknen aufgehängt hatte. Eine große, weiße Tischdecke vom letzten Sonntagnachmittagskaffeetrinken, die auch an der Wäscheleine in der Garage trocknen sollte könnte es schon gewesen sein, was hier in diesem Moment, so im Halbdunkel, auf der Terrasse zu sehen war.
Etwas beunruhigt ging ich wieder in die Küche zurück um den Frühstückstisch für meine Kinder und mich zu decken und auch endlich die Futternäpfe für unsere drei Katzentiere und den Hund zu füllen. Unsere Haustiere kommen immer zuerst dran am Morgen. Diese ganze, sich jeden Morgen in gleicher Weise wiederholende Prozedur nenne ich- Abfütterung meiner Raubtierchen.
So langsam wurde es nun auch Zeit, dass ich meinen Kindern Stefanie, Ricky und Martin endlich mitteilte, dass auch für sie nun der neue Tag anfangen muss. Auch wollte ich noch schnell in Ruhe wenigstens eine Tasse Kaffee trinken, wie an jedem Morgen, das erlaube ich mir ganz einfach, auch wenn die Zeit bei uns immer knapp ist, und dann vielleicht auch nur noch mal schnell, ganz kurz, die Tageszeitung durchblättern, damit ich wenigstens weiß, was ich im Laufe des Tages dann richtig nach lesen will. Nur auf den Sportteil, auf den kann ich gerne verzichten. Den will mein lieber Mann, wenn er nicht gerade unterwegs zu einer längeren Dienstreise ist, immer als erstes lesen und so teilen wir uns normalerweise immer die Tageszeitung.
Und trotzdem, irgendwie war an diesem Morgen etwas merkwürdig anders, als an den anderen Tagen. Schon wieder dachte ich, dieses undefinierbare Geräusch gehört zu haben. Nun wurde ich aber erst mal richtig neugierig.
Ganz eindeutig und ohne weitere Zweifel, dieses Geräusch musste aus dem Garten kommen. Hier drinnen im Haus war es ja noch völlig ruhig um diese Uhrzeit. Nur die alte Kuckucksuhr, die im Wohnzimmer an der Wand ,neben dem Fenster zur Terrasse hängt, schickte alle fünfzehn Minuten den Kuckuck vor sein Türchen, damit er einmal ganz schnell "Kuckuck " sagen konnte und ich somit zur Kenntnis nehmen durfte, dass schon wieder eine Viertelstunde vergangen war. Gerade am Morgen vergeht die Zeit ja immer so irre schnell. Kennt Ihr das auch? Oder vielleicht Eure Eltern oder Erzieher ? Hm?
Ganz besonders leise und vorsichtig öffnete ich nun die Terrassentür, um ganz langsam und behutsam ein Stück in Richtung Garten zu schleichen. Schon nach zwei Schritten stand ich fast ganz dicht vor dem weißen, sich leicht und leise bewegenden Etwas, von dem ich annahm, der Wind hätte es dort hingepustet und es sei vielleicht meine weiße Tischdecke.
Unmöglich konnte dieses merkwürdige Etwas dort meine weiße Tischdecke sein fiel es mir dann sofort auf. Es wimmerte traurig, leise vor sich hin und keine meiner Tischdecken hat bis heute jemals auch nur, einzigen Laut von sich gegeben. Ganz bestimmt nicht, da war ich mir ganz besonders sicher, auch wenn es noch so schrecklich früh am Morgen war.
Aber wenn, wenn es eventuell doch eine Tischdecke wäre, dann sitzt bestimmt ein Tierchen darunter, das sich vielleicht verletzt hat oder nicht mehr nach Hause findet weil es sich bei seinen langen Wanderungen in der Nacht verirrt hat. So vermutete ich nach genauerer Betrachtung des weißen, noch undefinierbaren Etwas.
Ganz besonders vorsichtig wollte ich die vermeintliche Tischdecke hoch heben. Es war immer noch ziemlich finster draußen und da wir keine Beleuchtung auf der Terrasse haben, konnte ich nur sehr wenig deutlich erkennen.
Diese weiße, vermeintliche Etwastischdecke ließ sich von mir jedoch nicht berühren. Jedes Mal, wenn ich nach dem weißen Etwas greifen wollte, wich es ein kleines Stück von mir zurück. Dieses Abweichen sah fast so aus, als sei es ein Schweben ohne jegliche Verbindung mit dem Boden. Bei jeder Bewegung dieses weißen Etwas, konnte ich ganz klar und deutlich, ein leises, klagendes Wimmern hören.
Wenn es also keine Tischdecke ist, unter der sich ein Tier versteckt hat, dann kann es doch eigentlich nur ein Gespenst sein, ging es mir so durch den Kopf. Dass es keine Gespenster gäbe, das hatte mir allerdings mein Vater früher schon einmal gesagt, als ich noch klein war und ihn danach fragte, ob es bei uns auch Gespenster gibt, während wir beide, meine Papa und ich, an einem Frühlingssonntag durch das grossartige Frankfurter Senkenbergmuseum schlenderten. Das ist vielleicht ein tolles Naturkundemuseum, dort könnte ich heute noch jeden Tag hinein gehen und immer wieder entdecke ich etwas Neues darin. Ich bin in Frankfurt am Main zur Welt gekommen, und als ich noch ein kleines Mädchen war, hatten wir es nicht so weit dorthin, zum Museum. Nur fünfzehn Minuten mit der Straßenbahn mussten wir fahren und dann noch ein paar Schritte laufen, mein Papa und ich.
Schon als Kind hätte ich sicherlich gar keine Angst vor Gespenstern bekommen, wären mir damals wirklich Gespenster begegnet. So ganz sicher war ich mir auch nie, ob ich meinem Vater da so ohne weiteres glauben sollte. Vielleicht mochte er nur keine Gespenster und wollte erreichen, dass ich ebenso keine Gespenster mag. Mit dem Kauen von Kaugummi, da war es nämlich genau so. So was nennen die Erwachsenen dann wohl Erziehung oder pädagogisch, tststs. Kaugummi habe ich dann trotzdem gekaut, heimlich halt, und er hat mir nicht geschadet. Ganz bestimmt nicht, kein bisschen.
Schließlich hatte ich schon ganz, ganz viele tolle, spannende Gespenstergeschichten gehört und gelesen. Kaugummi ist ja auch was Feines, ich mag ihn heute immer noch, und bloß, weil mir persönlich noch nie ein Gespenst begegnet war, ist das noch lange kein Beweis für eine Nichtexistens von Gespenstern, jedenfalls nicht für mich. Oder wie seht Ihr das?
Ich unternahm noch einen weiteren, vorsichtigen Versuch das weiße Etwas auf der Terrasse zu berühren, aber wieder schwebte es kleines Stückchen von mir fort in Richtung Garten.
Nun war ich mir aber hundertprozentig sicher, es konnte gar keine andere Erklärung geben. Es muss doch tatsächlich ein richtiges Gespenst sein und ganz bestimmit nicht irgendetwas anderes.
Als nächstes vergewisserte ich mich, ob ich auch wirklich schon richtig wach, und vor allem, ob ich tatsächlich schon aufgestanden war. Es hätte ja wirklich alles nur ein Traum sein können. So piekste ich mich mit meiner linken Hand ganz doll in meinen rechten Arm. Es tat sehr weh - auaaua - also - es war kein Traum, ich bin tatsächlich und wirklich hellwach.
Außerdem, ich hatte doch vor wenigen Minuten höchstpersönlich erst eine Tasse Kaffee getrunken. Den Kaffee hatte ich selber aufgesetzt in der Kaffeemaschine in unserer Küche. Der würzige Kaffeeduft hing hier noch in allen Räumen. Nein, daran konnte ich ganz bestimmt nicht zweifeln, ich war ganz sicher hellwach und höchstpersönlich aufgestanden.
Ich sah mir das traurige, weiße, manchmal so richtig durchsichtig wirkende Bündelchen nun, so gut das bei den spärlichen Lichtverhältnissen überhaupt möglich war, etwas genauer an ohne nochmals nach ihm zu greifen. So blieb es auf den grauen Steinplatten der Terrasse, immer noch leicht zitternd, vor mir sitzen.
Nun begann das Bündelchen ununterbrochen zu wimmern und ich konnte deutlich spüren, egal was es quälte, ihm musste es hundsmiserabel und ganz elend gehen.
"Ach Du armes, kleines Gespenst" sagte ich zu dem kleinen Gespenst, als ich sehen konnte, dass es noch recht klein war, "hast Du Dich etwa verirrt? Soviel ich weiß sollen doch alle Gespenster möglichst bei Tagesanbruch wieder schlafen und nicht der Sonne begegnen habe ich in Büchern gelesen".
Das kleine Gespenst gab daraufhin ein ganz besonders lautes und lang anhaltendes Wimmern und Heulen von sich, danach begann es herzzerreißend zu weinen.
Beinahe hätte ich doch tatsächlich mit ihm geweint, so sehr rührte mich seine Traurigkeit und Verzweiflung. Dann besann ich mich aber doch noch meiner mütterlichen und hausfraulichen Pflichten, die ja auch an diesem Tag auf mich warteten und die dringendst begonnen werden mussten. Stellt Euch vor, Ihr kommt zur spät zur Schule, weil Eure Mama oder Euer Erzieher vergessen haben, Euch zu wecken. Alleine lassen wollte ich das unglückliche, kleine Gespenst aber auch auf gar keinen Fall.
"Nun komm doch bitte erst mal mit rein in die Wohnung und setze Dich in die dunkle Ecke hinter dem braunen Sofa. Bitte versuche aber solange leise zu sein, bis meine Familie aus dem Haus ist. Dann habe ich Zeit für Dich und wir unterhalten uns über Deine Probleme. Du musst aber wirklich ganz, ganz leise sein und abwarten, bis ich Dir bescheid sage, dass nun alle aus dem Haus sind", flüsterte ich dem traurigen, kleinen Gespenst ganz lieb zu um es ein kleinwenig zu trösten.
So schnell, dass ich es mit meinen Menschenaugen kaum sehen konnte, huschte das kleine Gespenst durch die geöffnete Terrassentür, und wusch, war es hinter unserem alten, braunen Sofa im Wohnzimmer verschwunden. Noch einmal schniefte und schluchzte es tüchtig, dann war absolut nichts mehr von ihm zu hören.
Auweiaweia, nun wurde es aber dringend allerhöchste Eisenbahn für mich um die Kinder endlich aufzuwecken.
Zuerst Ricky der Große, er muss den ersten Schulbus nach Todenbüttel, der ihn dort zur Realschule bringt unbedingt erreichen. Die Bushaltestelle liegt ein paar Straßen von unserem Haus entfernt und der Busfahrer wartet nicht lange, er muss seinen Fahrplan pünktlich genau einhalten.
Da Ricky morgens immer so entsetzlich lange Zeit im Badezimmer braucht ,muss er deshalb auch selbstverständlich das erste Kind sein, dass unser Badezimmer besetzt, damit Steffi und Martin dann in aller in Ruhe das Badezimmer für sich haben. Andersherum gäbe es Stress, weil Ricky schon groß ist und natürlich alleine
im Badezimmer sein möchte. Man könnte es auch nicht aushalten mit Ricky zusammen im Badezimmer. Er duscht gerne sehr warm und sehr lange und ausgiebig, danach ist das ganze Badezimmer völlig vernebelt. Anschließend fönt und stylt er sich seine Haare, das darf Ricky auch, weil er inzwischen ein junger Mann und kein kleines Kind mehr ist ,und wenn er dann noch sein Haarspray benutzt hat, bekommt man erst mal gar keine Luft mehr in diesem Raum.
Steffi und Martin besuchen eine ganz besondere, tolle Schule in Nortorf, weil sie beide mit unterschiedlichen Behinderungen auf die Welt gekommen sind. Sie sind etwas anders als ihr in der Entwicklung, aber bestimmt genau so lustig und fröhlich. Und Blödsinn, den machen sie selbstverständlich auch gerne und reichlich. Sich streiten können sie auch allerbest, aber sie haben sich dann auch immer recht schnell wieder lieb und sind sehr gerne zusammen.
Länger als fünf Minuten waren sie sich die drei Geschwister noch nie wirklich ernsthaft böse.
Ihre Lehrerinnen, Lehrer und Therapeuten sind extra speziell ausgebildet, um sie richtig, nach ihren ganz persönlichen Lernmöglichkeiten, die etwas anders sind als eure Fähigkeiten es zulassen , unterrichten und fördern zu können. Ihr Schulbus holt sie direkt hier, direkt vor unserer Haustür ab. Steffi und Martin muss ich morgens immer sehr viel im Badezimmer und beim Frühstück helfen, damit meine jüngsten Kinder auch ja pünktlich um sieben Uhr fertig sind mit allem, was am Morgen nach dem Aufstehen so zu geschehen hat.
Die beiden Süßen brauchen immer eine ganze Menge Hilfe, bei allem, was es den ganzen Tag über so zu tun gibt. Sie müssen von mir auf die Toilette gesetzt werden und gewaschen werden.
Die Zähnchen muss ich ihnen putzen, das ist ja das Wichtigste überhaupt, oder geht Ihr gerne zum Zahnarzt?
Dann noch eine Pflegehose anlegen, weil es mit dem auf die Toilette gehen noch nicht so richtig klappen kann und das Anziehen geht auch noch nicht alleine. Danach muss ich Martin, weil er sich nicht so wie Ihr bewegen kann, in seinen Rollstuhl setzen und ihm beim Frühstück helfen und aufpassen, dass sich meine Mäuse nicht bekleckern. Noch mal umziehen am Morgen schaffen wir nämlich zeitlich nicht. Auf alle Fälle ist unser Morgenprogramm reichlich ausgefüllt und die Zeit ist irgendwie, auch schon ohne so ein kleines Gespenst hinter dem Sofa, immer reichlich knapp.
Nachdem ich Martin gewaschen hatte, dachte ich für einen klitzekleinen Moment schon wieder, dass ich meine Begegnung mit dem kleinen Gespenst so früh am Morgen vielleicht doch nur geträumt hatte. So was kann einem doch eigentlich gar nicht in echt passieren, oder was meint ihr?
Als meine Kinder nämlich noch jünger waren und die große, tolle Kita in Nortorf besuchen durften, bevor sie alt genug waren, und endlich in die Schule gehen mussten, da war Martin auch ein Gespenst. Seine Kitagruppe hieß die Gespenster und Steffi war in der Kita ein echter Grashüpfer. In der Kita war das richtig toll für meine Kinder, was hatten sie da für viele große und kleine Freunde, und was haben sie dort alles erlebt miteinander und gelernt.
An dem letzten Weihnachtsfest, das Martin noch in der Kita mit feierte, bevor auch er im Jahr darauf in die Schule kam, bekam er ein kleines Gespenst geschenkt das wir über seinem Bett aufgehängt haben und auf das Martin sehr stolz war.
Das richtige lebendige, kleine Gespenst, das jetzt gerade hier, hinter meinem braunen Sofa im Wohnzimmer saß, war die ganze Zeit über wirklich so still, als sei es gar nicht anwesend. Wahrscheinlich war es aber auch neugierig, was wir denn da alle so miteinander machten in unserer Wohnung, zu einer Zeit zu der Gespenster eigentlich tief und fest schlafen sollten.
Erzählen konnte ich ja noch niemandem etwas von meinem ungewöhnlichen Morgengast. Die Kleinen hätten es so schnell gar nicht verstanden und Ricky, der hätte, zweifelnd an meinem Verstand, sicher das Sofa von der Wand abgerückt und damit das kleine Gespenst so ganz entsetzlich erschreckt, dass es nur noch mehr Angst bekommen hätte.
Steffi und Martin hätten ganz gewiss kein bisschen Angst vor dem kleinen Gespenst gehabt, wenn es ihnen begegnet wäre, aber gespielt, das hätten sie sicherlich gerne mit ihm. Martin lädt immer jeden unserer Besucher ganz lieb ein, mit ihm und seinen Autos zu spielen und Steffi, die malt sehr gerne und lässt auch gerne andere etwas für sie malen. Ihr wäre es sicher auch ganz egal, Hauptsache des kleine Gespenst hätte etwas für sie gemalt auf ihrem Zeichenblock. Und als guten Freund hätten meine Kinder das kleine Gespenst sicher auch gerne für immer haben wollen.
Da ich das kleine Gespenst leider kaum kannte, wollte ich es dann doch lieber erst einmal fragen können ob ihm denn überhaupt nach Spielen zumute ist. Wenn bei uns nämlich gespielt wird, geht es meist lebhaft fröhlich und recht hoch her. Meine Kinder haben nämlich sehr oft gute Laune und das gibt Stimmung. Kennt ihr sicher auch, ja?
Tja, und meine lieben Nachbarn, zu denen wir einen sehr lieben, freundschaftlichen Kontakt pflegen ansonsten, die hätten wahrscheinlich vorsichtshalber gleich mal den Doktor angerufen, damit er mich untersuchen kommt. An meiner Stirn hätten sie bestimmt auch nachgefühlt, ob ich vielleicht Fieber habe und deshalb laut fantasiere. So richtig verdenken können, hätte ich ihnen das auch gar nicht.
Meine Freundin, die eine Straße weiter um die Ecke wohnt, steht so früh noch nicht auf, aber auch sie hätte mich sicher nicht so ganz ernst genommen, hätte ich ihr in aller Herrgottsfrühe von dem kleinen, traurigen Gespenst berichtet.
Endlich kam der Kuckuck siebenmal aus seinem Uhrtürchen heraus und alle drei Kinder waren auch endlich tatsächlich aus dem Haus, auf dem Weg zur ihren jeweiligen Schulen.
Steffi und Martin ließen sich zu ihrer Sonderschule nach Nortorf fahren, von einer sehr lieben und netten Busfahrerin, die heute noch immer, nach all den Jahren eine unserer besten Freundinnen ist. Und Ricky, der war dem Weg zur Realschule nach Todenbüttel, mit dem großen Schulbus, der ein paar Straßen weiter weg hielt und der alle Kinder aus diesem Ortsteil von Beringstedt mit nahm an jedem Schultag direkt zur Schule.
Blitzschnell brachte ich nun die Küche etwas in Ordnung nach unserem üblichen Morgenchaos, danach öffnete ich alle Fenster im Haus zum durchlüften. Schnell goss ich mir noch eine schöne, große Tasse Kaffee ein und ging hinüber ins Wohnzimmer. Dort sprach ich dann in Richtung meiner Sofaecke:
"So, Du kleines, trauriges Gespenst, nun sind wir endlich ganz alleine im Haus. Die Katzen und der Hund schlafen schon wieder nach ihrem morgendlichen, ausgiebigen Gartenrundgang. Jetzt habe ich erst mal ganz viel Zeit nur für Dich."
Das kleine Gespenst hatte echt Glück, dass ich noch nicht wieder angefangen hatte, Vollzeit zu arbeiten. Sonst hätte ich nämlich, weiß gekleidet, gleich nach meinen geliebten Kinderchen, sofort das Haus verlassen müssen, wenn sie auf dem Weg zu Schule wären, um die Pflegehäuser an zu fahren, für die ich von der Einsatzleitung eingeteilt worden wäre. Ich arbeite sehr gerne stundenweise, zur Aushilfe, bei einem ambulanten Pflegedienst. So kann ich immer ein paar Stunden in der Woche arbeiten gehen und habe trotzdem noch genug Zeit für meine Familie. Da ich inzwischen schon so viele Überstunden gemacht hatte, durfte ich nun ganze zehn Tage frei machen am Stück.
Huschdihusch, wieder so wahnsinnig schnell, dass ich es mit meinen Augen nicht sehen konnte, kam das kleine Gespenst hinter dem Sofa hervor. Es kauerte sich vor den Sessel, in dem ich es mir nun gemütlich gemacht hatte, auf den Teppich und schaute mir mit ganz verweinten, traurigen, großen Gespensteraugen ins Gesicht.
Nun war es mir auch definitiv, tatsächlich und vollkommen klar - alles war Wirklichkeit und ganz und gar kein bisschen ein Traum.
So, wie das kleine Gespenst nun vor mir saß, zerknittert und traurig, tat es mir entsetzlich leid. Wie gerne hätte ich dieses Gespensterkindchen zärtlich in die Arme genommen und es gestreichelt und getröstet, aber das war leider unmöglich, so gerne ich es auch versucht hätte. Gespenster kann man einfach nicht anfassen, egal wie man es anstellt, man greift immer irgendwie durch sie hindurch, wie durch eine tiefhängende Nebelwolke.
Es muss ihm etwas ganz schrecklich schlimmes geschehen sein. Vor lauter Schluchzen und Weinen brachte das kleine Gespenst erst mal keinen für mich verständlichen Ton heraus. Dabei kullerten ihm ganz, ganz große Gespenstertränen aus seinen großen, lieben Gespensteraugen.
Um das kleine Gespenst auf andere Gedanken zu bringen, bot ich ihm etwas zu Essen und zu Trinken an. Gleichzeitig fiel mir dann aber auch wieder ein, dass Gespenster gar keine Nahrung zu sich nehmen und unmöglich Hunger haben können. Sie sind ja nur Wesen aus ganz feinem Nebellicht, Windhauch und Fantasie, die gar kein Verdauungssysthem haben.
Ich glaube, dass man das, woraus ein Gespenst gemacht ist, wohl unter dem Wort feinstofflich versteht, aber so richtig sicher bin ich mir da nicht unbedingt.
Aber, wenn Ihr irgendwann einmal, irgendwo persönlich ein Gespenst treffen solltet, dann schaut es Euch nur sehr genau an. Dann werdet Ihr sicher verstehen können, was ich meine und Euch jetzt nicht so richtig erklären kann.
Gefühle und Empfindungen, die aus einem Menschen selber kommen und so individuell und besonders sind, kann man glaube ich, anderen Menschen auch gar nicht richtig, verständlich erklären.
Verneinend schüttelte das kleine Gespenst sein Köpfchen und kam etwas näher zu mir heran.
Wahrscheinlich hätte es sich wirklich gerne von mir in die Arme nehmen lassen in seinem bedauernswerten Zustand. Trost tut ja bekanntlich jedem Wesen gut, wenn es ihm so richtig schlecht geht.
"Warum bist Du hier, warum bist Du alleine, wo ist Deine Familie und wie alt bist Du?"überschüttete ich nun das kleine Gespenst mit schrecklich vielen Fragen auf einmal. Ich wollte unbedingt endlich erfahren welcher Umstand mir diesen kleinen, niedlichen Gespensterbesuch so früh am Morgen beschert hatte.
Dreimal musste das kleine Gespenst an seinen Tränen schlucken, dann wischte es sich mit seiner kleinen Gespensterhand, das kleine Gespensterschniefnässchen und seine großen Gespensteraugentränen ab. Nun sah es mir in die Augen und fing leicht zitternd an zu erzählen,
"Sie sind alle zusammen in einem großen, alten Koffer, der schon am Beringstedter Bahnhof bereit stand - um per Bahnexpress so schnell und unauffällig wie möglich, mit der ganzen Familie, nach Schottland geliefert werden sollte, mit dem Zug weg gefahren. Ich - snüff, snüff - ich bin zu spät am Bahnhof angekommen, nur weil ich vergessen hatte auf die Kirchturmuhrglocken der Todenbütteller Kirche zu achten. Und nun sind sie alle, alle fort. Heeeuuulll"
Nachdem mir das kleine Gespenst dieses erzählt hatte, musste es schon wieder anfangen ganz bitterlich zu weinen. Das war aber auch wirklich sehr, sehr schlimm und ganz besonders, weil das kleine Gespenst noch so jung und klein war, war es in dieser misslichen Situation ziemlich hilflos. Ihr solltet auch wirklich immer auf Eure Eltern und Erzieher hören, damit Euch so etwas Trauriges nicht auch irgendwann passiert!!
"Aha, Deine Familie wollte also nach Schottland fahren um dort Urlaub zu machen und Du armes Kindchen hast die Abreise verpasst und keiner hat auf Dich gewartet?" musste ich nun fragen, weil ich zu den Leuten gehöre, die immer alles ganz genau wissen wollen und am besten sofort.
"Nein, es sollte leider kein Urlaub werden. Wir mussten umziehen und zwar noch in dieser Woche", ließ mich das kleine Gespenst nun wissen, und dann konnte es erst mal gar nicht mehr reden vor lauter Schluchzen, Weinen und sich schütteln müssen.
Ach, wie leid es mir tat, das bedauernswerte, kleine Wesen. Irgendwie musste mir nun ganz schnell etwas Sinnvolles einfallen um dem kleinen Gespenst helfen zu können. So versuchte ich erst ein mal, das kleine Gespenst ein wenig zu beruhigen.
"Das ist natürlich eine wirklich schlimme Sache. Aber so ganz aussichtslos scheint es doch nicht für Dich. Wir werden sicher eine Lösung für Dein Problem finden. Beruhige Dich erst mal, ruhe Dich aus und dann lass uns in aller Ruhe beratschlagen, was wir tun können um Dir zu helfen. Du bist ab jetzt nicht mehr alleine, was immer auch mit Dir geschieht, ich helfe Dir, so gut ich es kann."
Allmählich wurde das Weinen weniger und weil ich dem kleinen Gespenst meine Hilfe zugesichert hatte, begann es nun vertrauensvoll, mir seine ganze Gespensterfamiliengeschichte zu erzählen. Oh wie war das alles spannend und interessant. Was hatte das kleine Gespenst schon alles erlebt und gesehen. Dabei war es gerade erst 123 Jahre alt, also ein noch kleineres, kleines Gespenst als ich es die ganze Zeit über vermutet hatte. Aber da ich ein menschliches Wesen bin und bis lang nur Kinder und Tierbabys um mich hatte, war es mir ja auch gar nicht möglich, das richtige Alter des kleinen Gespenstes einschätzen zu können. Mir fehlte da einfach die nötige Erfahrung.
Die Gespensterfamilie des kleinen Gespenstes war schon irreriesig, schrecklich alt. Genau so lange spukte die Gespensterfamilie in wunderschön gebauten, mit ganz tollen Mauerwerkverzierungen versehenen, alten, einst noblen Häusern, herum. An diesen fantastischen Wunderwerken der Baukunst nagte leider der Zahn der Zeit. Teils zerbröckelte durch die widerliche Umweltverschmutzung das einst so prächtige Gestein, teils wurden die Gebäude zu unpraktisch für unsere, hektische, hoch durch technisierte Welt. Die neuen Eigentümer der Häuser machten einfach kurzen Prozess. Sie ließen die herrlichen, alten Häuser in nullkommanix abreißen, weil sie auf den, inzwischen wertvollen, Grundstücken lieber hässliche, ungesunde Hochhäuser aus Beton,Stahl und Glas aufbauen wollten.
Obwohl ich kein Gespenst bin, tut es mir einfach auch selber wahnsinnig leid, dass alles was alt ist und viel schöner, als die ganzen, vielen, neuen Sachen, immer mehr überall einfach so verschwindet und nichts mehr Wert sein soll.
Dass man alte Häuser erhalten kann, auch wenn sie nicht unter Denkmalschutz stehen und als besonders erhaltenswert, deklariert werden, das ist mir schon lange klar. Aber wer gibt schon heut zu tage noch gerne Geld für alte Häuser aus?
Und leider wie so vieles passt das wohl nicht mehr in die Entwicklung unserer heutigen, modernen Zeit, mit der ich persönlich, mich gar nicht so recht anfreunden kann.
Kann aber auch sein, dass ich bloß in die verkehrte Zeit hinein geboren wurde, und mich, wenn ich vor 250 Jahren auf die Welt gekommen wäre, viel besser und wohler gefühlt hätte.
In seinen kurzen, 123 Lebensjahren, die das kleine Gespenst in dieser Welt herumspukte, musste es deshalb schon 35-mal umziehen. Nur ein Glück ,dass Gespenster keine Möbel, Spielsachen, Computer und sonstigen Hausrat besitzen und brauchen, wie wir es normalerweise so tun. Was wäre dieses ewige Umziehen sonst für grässlicher, arbeitsintensiver Aufwand, ein jedes mal. Es genügt schon völlig, dass geradezu jedes mal, wenn sich die Gespensterfamilie an ein Haus, seine Bewohner und die Gespensternachbarn gewöhnt hatte, schon wieder alles verändert werden musste. Wir mussten auch schon öfters umziehen und immer wieder ganz neu anfangen. Ich weiß wirklich selber, wie schrecklich das sein kann.
35 wunderschöne ,alte Häuser in denen es so herrlich klapperte und schepperte, durch deren Mauerrisse so wildmelodisch heulend der Wind pfiff, durch deren undichte Dächer Regen, Nebel und Schnee ins Innere gelangte, nachts die Sterne zu sehen waren- und erst die alten, modrigen Keller mit ihren morschen Holztreppen. Das war ein wahrhaft herrliches Gespensterleben.
Irgendwann wohnten dann keine Menschen mehr in diesen Häusern und irgendwann hörten die Menschen auch auf, an Gespenster zu glauben. Genau wie mein Vater, Ihr erinnert Euch? Niemand ließ sich mehr von Gespenstern erschrecken. Für alles, was so ein Hausgespenst an Unfug anstellen konnte, fanden die Menschen eine, für Menschenverständnis logische Erklärung. So machte das Herumspuken dann auch so keinen rechten Spaß mehr, es wurde richtiggehend langweilig.
Da trafen sich dann alle Gespenster zu einer Wahnsinnsriesengroßengespensterkongressversammlung und dort beschlossen sie einstimmig, ohne Enthaltung,( das nenne ich mal ein tolles Wahlergebniss) von Stund an nie wieder in Häuser zu ziehen, in denen noch Menschen lebten. Die Gespenster wollten nur noch unter sich bleiben und ihre kostbare Zeit nicht weiter mit solch sinnloser Rumspukerei, vor der sich eh keiner mehr fürchtet, vergeuden.
Als so nach und nach die wunderbaren, alten Häuser leider überall weniger wurden und fast nur noch grässlich, hässliche Neubauten, die in Deutschland leider überall erbaut wurden, bekamen die armen Gespenster schreckliche Wohnraumprobleme, vor allem, in den Städten in denen es nun immer enger wurde, weil die neuen Häuser immer dichter und höher hinaus zusammen gebaut wurden.
Gespenster können nicht einfach so, wie wir Menschen zum Wohnungsamt oder Immobilienmakler gehen, oder ein Wohnungsgesuchsinserat in der Zeitung aufgeben. Sie müssen sich ihre Spukhäuser immer wieder aufs Neue, mühsam selber suchen.
Zuletzt hatte das kleine Gespenst mit seiner großen Gespensterfamilie in einem winzig kleinen, schon sehr alten, verfallenen Melkerhäuschen in Schleswig-Holstein, zwischen Ostermühlen und Beringstedt gelebt. Ein paar Kühe die auf der Koppel standen, die zu dem alten Melkerhäuschen gehörte, waren die einzigen, direkten Nachbarn der Gespensterfamilie. Die viel zu trägen Kühe zu erschrecken lohnte sich nicht für die Gespenster. Die Kühe hätten sicherlich nicht mal mit einer Wimper gezuckt, wäre ein Gespenst um sie herum gewuselt. Kühe juckt s o was einfach nicht. Somit lebten die Gespenster dort in aller Ruhe, gemütlich und in Frieden.
Doch nun sollte, welch großes Unglück, auch dieses Melkerhäuschen abgerissen werden. Es soll dort auf seinem Platz ein großer, moderner Kuhstall errichtet werden, trug der Wind den Gespenstern noch rechtzeitig zu. Dafür bekommt der Landwirt dann so genannte Subventionen von Vater Staat, das sind Darlehen ohne Zinsen in diesem Fall, und so muss er den Bau nicht gänzlich alleine finanzieren. Ihr wisst sicher alle, wie teuer es ist, etwas Neues zu bauen.
Aus diesem, wieder sehr traurigen Grunde, beschloss die Familie des kleinen Gespenstes, ebenso, wie schon sehr viele andere Gespensterfamilien vor ihnen, Deutschland ein für alle mal zu verlassen und zu ihren lieben Gespensterverwandten nach Schottland zu ziehen. In diesem Land sind die Menschen bei weitem nicht so neubauwütig, die sparen dort lieber ihr Geld, auch wenn sie gar nicht wissen, wofür sie es ausgeben sollen. Die schottischen Verwandten des kleinen Gespenstes wohnen schon seit mehr als dreihundert Jahren in einem zauberhaft, zugigen, gruseligen Schloss inmitten eines herrlichen, unheimlichen, nebeligen Moores, weitab von aller Zivilisation. Einfach ein Traum von einer Gespensterwohnung mit allem Gespensterkomfort. Dort ist noch jede Menge Platz für eine arbeitslose Gespenstergastarbeiterfamilie aus Duetschland.
Nur ab und zu werden in diesem zauberhaften, alten Schloss von einem amerikanischen Reiseunternehmen Besichtigungen durchgeführt. Die lustigen, neugierigen Touristen sind ganz wild darauf, dass die Schlossgespenster so richtig loslegen mit ihrer lauten und wilden Spukerei. Es kann ihnen gar nicht gruselig und laut genug sein- diese Menschen wollen erschreckt werden. Es macht ihnen Freude und sie bezahlen dem amerikanischen Reiseunternehmer sehr viel Geld für dieses einmalige Spukerlebnis.
So lässt es sich natürlich wunderbar, gespenstermäßig leben, sagte sich die Familie des kleinen Gespenstes, und genau deshalb wollte auch sie dorthin auswandern. In einem Land, in dem Gespenster beliebt und willkommen sind, dort ist mit Sicherheit ein sehr guter Platz, um die nächsten Paarhundertjahre zu spuken.
Aber - wie soll eine so große Gespensterfamilie schnell und unauffällig von Beringstedt in Deutschland nach Edinburgh in Schottland kommen? So hatte die Gespensterfamilie schon wieder ein ziemlich großes Problem, das dringend und schnell gelöst werden musste.
Schottland liegt nämlich auch für Gespenster nicht einfach nur mal so um die Ecke. Es ist auch für Gespenster ein sehr weiter Weg dorthin. Wisst Ihr denn vielleicht schon, wo Schottland liegt auf der Weltkarte oder auf dem Globus?
So beratschlagten die Gespenster in ihrer großen, einmaligen und ungewöhnlichen Familiengespensterkrisensitzungsversammlung über dieses Problem. Natürlich nahm auch das kleine Gespenst an dieser wichtigen Versammlung teil, aber, ihm war es ziemlich gleichgültig, wie denn nun die ganze Gespensterverwandtschaft mit ihm nach Edinburgh in Schottland kommen sollte. Die Hauptsache war für das kleine Gespenst, dass seine Gespensterfamilie zusammen bleiben konnte und vor allem, dass sie überhaupt bald umziehen konnten. Noch bevor ihr kleines, windschiefes Gespenstermelkerhäuschen zwischen Ostermühlen und Beringstedt abgerissen wird und alle Gespenster dann gar kein Dach mehr über ihren Gespensterköpfen hätten.
Für Gespenster ist es nämlich ganz genau so schrecklich schlimm, wie für uns Menschen auch, kein sicheres und gemütliches zu Hause zu haben.
Weil sich aber das kleine Gespenst denn so gar nicht dafür interessierte, wie sie nun allesamt nach Edinburgh in Schottland gelangen sollten, passte es natürlich auch nicht richtig auf, was die großen Gespensterverwandten so alles wichtiges miteinander besprachen.
Hört Ihr denn richtig zu und passt immer gut auf, wenn Eure Eltern oder Erzieher Euch etwas Wichtiges mit zu teilen haben?
Das kleine Gespenst träumte lieber von all den spannenden Abenteuern, die es in der neuen Heimat erleben konnte. Vielleicht, wie es in dem großen ,alten Schloss mit den vielen, vielen knarrenden Türen, Fenstern ,Zimmern, Zinnen , Geheimgängen und tiefem Burggraben mit lautem Gespenstergeheule herumspuken würde. Und erst der alte Friedhof, der zu dem alten Schloss gehörte. Dort in aller Ruhe und ohne gestört zu werden, um die Grabsteine herumzugeistern im Nebel, oh wie gespensterwunderherrlich wird das sein.
Das kleine Gespenst dachte aber auch etwas traurig an all seine lieben Freunde, die hier in Schleswig Holstein, im Kreis Rendsburg - Eckernförde, zurückbleiben mussten. Mit all diesen Gedanken im Köpfchen, konnte das kleine Gespenst natürlich auch überhaupt nicht richtig bei der Sache sein und aufmerksam zu hören.
Die Gespensterfamilie beschloss nun jedenfalls auf ihrer Gespensterfamilienkrisenversammlung, dass am Freitag, den 13.,in der Nacht, wenn die Bewohner Beringstedts normaler weise alle fein schlafen und schnarchen, und hoffentlich niemand die Gespenster beobachtet, - wie sie einen großen, alten, quietschenden Koffer aus Holz, der in einer Ecke des alten Melkerhäuschens stand, zum Beringstedter Bahnhof hin tragen werden, um ihn vor der Gepäckabfertigung abzustellen. An den Tragegriffen des Koffers wollten die Gespenster eine Karte befestigen, auf der ihre neue Adresse in Edinburgh in Schottland geschrieben stand.
Ururgroßgespenstervater hatte noch irgendwo einen alten, heute wohl sehr wertvollen Golddukaten liegen. Den wollten die Gespenster auf den Koffer legen, damit auch der Fahrtransportpreis für den Koffer als Stückgut entrichtet wird. Schwarzfahren wollten die Gespenster nun ganz bestimmt nicht und Schwarzfahren ist ja auch wirklich nicht in Ordnung.
Der erste Zug, der in Beringstedt morgens, an den Werktagen, losfährt, verlässt um 6.17 Uhr den kleinen Dorfhauptbahnhof. Bis dahin musste die gesamte Gespensterfamilie dann irgendwie in dem großen, alten Koffer gemeinsam und unauffällig verschwunden sein. Da sich Gespenster irre flach und dünn machen können, müssten so alle 27 Gespenster ihre weite Reise eigentlich in die neue Gespensterheimat gemeinsam in diesem alten Koffer antreten können.
Das kleine Gespenst wurde von seinem Gespenstervater mit ermahnenden Worten darauf hingewiesen, dass es ja pünktlich am Freitag ,den 13.,wenn die Kirchturmglockenuhr der Todenbütteler Kirche 6.00 Uhr schlägt, am Beringstedter Bahnhof in einen alten, großen Koffer einsteigen muss. Zwar vernahm das kleine Gespenst die Worte seines Vaters, und es nahm sich auch bestimmt ganz fest vor, sie auf keinen Fall zu vergessen, aber da es während der ganzen Versammlung, als dieses wichtige Thema besprochen wurde, nicht so richtig aufmerksam war, hatte es mit dem Dauernddarandenken so seine Gespensterkinderschwierigkeiten. Kennt Ihr das Problem vielleicht auch?
In der Nacht, vor der geplanten Abreise wollte das kleine Gespenst ein letztes Mal all seine Freunde hier aus der Gegend aufsuchen um sich ganz lieb von ihnen zu verabschieden. Es war schon ein merkwürdig, trauriges Gefühl, das das kleine Gespenst hierbei in seinem Gespensterbäuchlein fühlte. Aber, wem fällt es nicht schwer gute Freunde für immer zu verlassen und alles, was man lieb gewonnen hat, einfach so zurück zu lassen?
Das kleine Gespenst hatte hier soooo viele, gute Freunde gewonnen, dass es gar nicht so recht wusste, wen es denn nun mit seinem Abschiedsbesuch als erstes beglücken sollte.
Es begann mit seinen Besuchen bei Familie Eule, die ihre gemütliche Höhle in einem großen, alten, knorrigen Kirschbaum gebaut hatte, der mitten im Ostermühlener Wald steht. Von Eulens hatte das kleine Gespenst sehr viel über die Gegend hier erfahren und weil Herr Eule schon sehr betagt war, wusste er auch viele interessante Begebenheiten von früher zu berichten. Herr Eule war für das kleine Gespenst so eine Art Geschichtslehrer. Das kleine Gespenst verehrte und achtete Herrn Eule wirklich sehr.
Die alten, netten, intelligenten Karpfen, die in den Fischteichen in Ostermühlen lebten, belehrten das kleine Gespenst über die Auswirkungen der Umweltverschmutzung und des sauren Regens. So manches mal durfte sich das kleine Gespenst auf ihre Rücken setzen und mit den Karpfen Boot fahren spielen, quer über den ganzen Fischteich und wieder zurück.
In Osterstedt besuchte das kleine Gespenst nun seine Fledermausfreunde, die auf dem Dach einer recht alten Scheune lebten. Mit den Fledermäusen flog das kleine Gespenst immer so gerne um die Wette im Dorf. Hin, zu dem alten Wasserturm, und wieder zurück, zu dem lustig bunt bemalten Garagentor in der Nähe des kleinen, Osterstedter Bahnhofes. Besonders gerne klopfte diese kleine, fliegende Gesellschaft, mitten in der Nacht an das Schlafzimmerfenster von dem netten Landarzt in Todenbüttel. Sicherlich haben der Landarzt und seine Familie bis heute keine Ahnung, wer denn da so oft, ganz leise und anhaltend, mitten in der Nacht, und immer wieder, an die Scheiben pochte. Die kleinen Störenfriede ließen sich ja auch nie erwischen, da passten sie schon gut auf.
Außerdem, sie konnten alle fliegen, der Doktor garantiert nicht.
In Ostermühlen, auf dem wunderschönen, alten Gut am See, balgte sich das kleine Gespenst ein letztes Mal mit seinen treuen, ganz lieben, zärtlichen Pferdefreunden, in ihrem gemütlichen Stall auf frischem Stroheinstreu. Auf der Koppel gegenüber wohnt die reizende Schmusekuh mit ihrem neugeborenen Kälbchen. Mit den beiden Rindviechern musste das kleine Gespenst immer Ichknuddeldichganzdoll spielen und das machte jedes Mal so viel Spaß. Vor allem, an der immer feuchten Kälberschnauze wenn die rauhe Zunge der Rindviecher über ihre Schnauze leckte.
Zu dem kleinen Dackel, der in dem Haus auf der rechten Seite der Hauptstrasse, zu Hause ist, kroch das kleine Gespenst oft und gerne mit in das kuschelige Hundekörbchen. Die Beiden erzählten sich immer, wem sie denn mit ihrem Bellen und Heulen mal wieder so einen tüchtigen Schreck eingejagt hatten. Sicher habt Ihr auch so gute Freunde, oder?
Der Dackel Filou, Chef des nächsten Hauses, war ein recht betagter Hundegreis mit kalter Schnauze. Er wusste immer so interessantes Seemannsgarn zu spinnen, sein Besitzer war schließlich lange Zeit als Kapitän auf hoher See um die ganze Welt herum gekommen und er hatte schon viele spannende Abenteuer erlebt. Mit Filou zusammen träumte das kleine Gespenst von der großen, weiten Welt, von der es ja schon recht bald ein ganzes Stück zu sehen bekommen sollte.
In Beringstedt lebt Molli - Mäuschen in einem, ganz alten Backsteinhaus an der Dorfstrasse. Sie ist die süße, pummelige Hausmaus von Tante Anni, die ihr Leben auf eine ganz besondere Art zu leben weiß und eigentlich nur Vertrauen zu Tieren aufbauen kann. Tante Anni ist schon ganz schön alt. Aber sie bringt den Leuten in Beringstedt noch immer ganz, ganz früh ihre Tageszeitung zuverlässig ins Haus. Manchmal verliert Tante Anni dabei ihre Mütze auf dem Weg irgendwo, aber jeder Mann in Beringstedt kennt Tante Annis Mütze und bringt sie ihr immer wieder zurück nach Hause.
Mit Molli - Mäuschen huschte das kleine Gespenst immer nachts, wenn die Menschen ja auch wirklich alle schliefen, zum Sportplatz hoch, um dort ein ausgiebiges Wetthuschen zu veranstalten. Danach schlüpften die beiden Freunde in das Feuerwehrgerätehaus, um Feuerwehrmann auf den tollen Feuerwehrautos zu spielen. Auf dem Rückweg drückten sie sich die Stupsnässchen platt an den hohen Fensterscheiben des Gemeindekindergartens. Die Kindergartenkinder kleben ihre hübschen, bunten Basteleien immer an die zahlreichen Fensterscheiben des Kindergartens, der in dem Gebäude der ehemaligen Dorfschule untergebracht ist. Dieses Gebäude ist fast so schön, wie ein richtiges, altes Gespensterhaus.
Direkt hinter dem hübschen Haus des derzeit amtierenden Beringstedter Bürgermeisters, auf einer kleinen Koppel, sind einige knuddelige Schafe beheimatet. Mit ihnen spielt das kleine Gespenst ein ganz besonderes Spiel. Das Spiel nennt sich - rutsch mir den Buckel runter. Das kleine Gespenst findet es unheimlich herrlich , auf der so gut nach Schaf duftenden, weichen, öligen, dicken Wolle dieser gutmütigen Tiere immer wieder von deren Rücken-, einmal rechts und einmal links-, hinunter zu rutschen. Den Schafen scheint dieses Spiel auch Spaß zu machen. Sie tun ihre Freude, wenn das kleine Gespenst nachts bei ihnen auftaucht, immer mit einem lauten, ganz herzlichen "Määeeh" kund.
Nur zu gerne wuselte das kleine Gespenst in dem kleinen Lebensmittelladen, der mitten im Dorf liegt, herum. Dort roch es immer so gut nach Kaffee und Brötchen. Hier traf sich das kleine Gespenst immer gerne mit Frau Spinne, die es sich zur Aufgabe gemacht hatte, die lästigen Fliegen aus dem kleinen Laden zu vertreiben. Dazu musste sie wunderschöne, kunstvolle Spinnennetze in die unsichtbaren Ecken der Räume weben, in denen sich die Fliegen dann verfingen. Von Frau Spinne lernte das kleine Gespenst, solch mühsame Arbeit zu achten.
Hatte das kleine Dorfschwimmbad im Sommer geöffnet, untersuchte das kleine Gespenst dort all zu gerne die Liegewiese. Die Kinder ließen ja dort immer eine ganze Menge interessantes Zeug liegen, dass das kleine Gespenst dann immer in hohem Bogen in das Wasser des Schwimmbeckens werfen konnte. Das platschte dann so schön laut und das Wasser spritzte in alle Himmelsrichtungen. Zwei kleine, graue Salamander, drei Kröten und eine Blindschleiche beteiligten sich immer gerne und munter mit an diesem lustigen Blödsinnspiel.
Sogar im Tresorraum, im Keller der kleinen Sparkasse im Ort, fand das kleine Gespenst Freunde. Dort hausen die Krabbelkäfer. Mit ihnen zusammen verstreute das kleine Gespenst so manches Mal die sauber gebündelten Geldscheine im ganzen Tresorraum. Somit machte es dem Filialleiter der kleinen Sparkasse oft eine ganze Menge unnütze Extraarbeit, über die er sich ganz schön ärgerte und vor allem wunderte. Es hatte nämlich nur er alleine einen Schlüssel zum Tresorraum und er war sich sicher, er hatte mit Sicherheit das Geld nicht derartig unordentlich verstreut.
Im Imbiss des Versicherungsschädensupermarktes an der Hauptstraße, machte das kleine Gespenst dann ausnahmsweise mal ganz alleine großen Quatsch. Dort nahm es doch allen Ernstes Vollbäder im Senftopf und im Ketchupeimer, die immer auf dem Tresen standen. Nach jedem Eintauchen flog es dann kreuz und quer durch den ganzen Laden. Die netten Angestellten dieses Ladens wundern sich wohl noch immer, woher die merkwürdigen Flecken auf ihrer Verkaufsware hergekommen sind.
In einem Second Hand Kleiderladen im Dorf, tobte das kleine Gespenst ein letztes Mal mit der rot getigerten Ladenkatze, die ebenso ein Schlitzohr , wie das kleine Gespenst sein kann, beim Nachlaufspielen durch die vollgehängten Kleiderständer, nicht ohne dabei natürlich das eine oder andere Stück, selbstverständlich nur rein zufällig ,runter fallen zu lassen.
Die Autowerkstatt, die direkt hinter diesem Laden liegt, bot dem kleinen Gespenst eine ganz besondere Möglichkeit für sein Schabernackschauspiel .Dort konnte es nämlich dem Gevatter Marder beim Durchnagen diverser Öl, Brems und Wasserschläuche bei den Reparaturautos zu sehen. Das war zwar nicht so ganz in Ordnung, aber so konnten wenigstens die Automechaniker etwas mehr auf ihre Rechnungen schreiben.
Bei der Tankstelle, direkt am Ortseingang von Todenbüttel hat das kleine Gespenst einen ganz alten Schäferhundfreund, der es anstiftete, doch mal aus allen Reifen der Wagen, die dort zum Verkauf standen, die Luft raus zu lassen.
Mit den beiden netten Igeln, die bei meinem lieben Nachbar Tomi unter dem Fahrradschuppen wohnen, erzählte sich das kleine Gespenst immer die neuesten Witze. Igel können sehr lustig und wahnsinnig albern sein, genau wie das kleine Gespenst manchmal auch. Seid Ihr denn auch manchmal albern??
Schräg gegenüber von unserem Haus wohnt ein nettes, älteres Ehepaar. Deren Hobby ist das Züchten von Zebrafinken und Kanarienvögeln. Auch laufen dort ein paar leicht dümmliche Hühner, in einer, der liebevoll gebauten Voglieren herum. Diese Hühner sind auch sehr schreckhaft. Das kleine Gespenst kann es sich einfach nicht verkneifen, ein jedes mal, wenn es in der Gegend ist, völlig unbemerkt in den Hühnerstall zu wuseln und einmal ganz laut "Buh" zu brüllen. Vor lauter Schreck und Entsetzen fallen die Hühner dann immer laut angstgackernd von ihren Schlafstangen .Dabei flattern sie wild mit ihren Flügeln und verlieren dabei immer ein paar Federn, die durch das hektische Flügelflattern dann im ganzen Hühnerstall herumgewirbelt werden. So manches Mal fällt bei dem Aufruhr ein vergessenes Ei aus den Gelegen auf den Boden. Natürlich zerbricht das Ei bei dem Aufprall. Irgendwie ist es verständlich, dass diese Hühner nicht so ganz gerne Freundschaft mit dem kleinen Gespenst schließen wollten. Schade eigentlich, sie hätten eine Menge Spaß zusammen haben können.
Dieser Streich ist aber auch wirklich der Einzige, nicht so nette Gespensterstreich, den das kleine Gespenst spielt. Ansonsten ist es ein richtig nettes, liebes, verspieltes kleines Gespenst, das wie alle Kinder auf der ganzen Welt, lustige Streiche spielen muss. Das versteht Ihr sicher, oder?
Oh, das kleine Gespenst hatte ja so viele, gute Freunde von denen es sich noch verabschieden wollte und nie und nimmer hätte es geglaubt, dass es das Sechsuhrläuten bei seinen zahlreichen Abschiedsbesuchen überhören würde. Den harmonischen Klang der Todenbütteler Kirchturmglocken zu überhören, war auch eigentlich kaum möglich bei ihrem intensiven, reinen Hall, der in jedem, an Todenbüttel angrenzendem Nachbardorf zu hören war.
Erst als die Kirchturmglocken der Todenbütteler Kirche am Freitagmorgen - dem 13.- siebenmal erklangen, merkte das kleine Gespenst, was ihm passiert war. Es vernahm das Siebenuhrläuten, als es gerade mit Mutter Drossel auf der bunten Fahne der Gärtnerei saß, um sich vom Wind mit der Fahne hin und her schaukeln zu lassen. Voller Panik fiel ihm ein, dass es ja bereits um sechs Uhr in einen alten Koffer vorm Beringstedter Bahnhof hätte einsteigen sollen um mit seiner Gespensterfamilie in diesem Koffer zu den Schlossgespensterverwandten in Edinburgh in Schottland um zu ziehen. Dorthin, wo ein wunderschönes, neues Gespensterzuhause auf sie alle wartete.
Sofort flog das kleine Gespenst, sich vor Eile mehrmals überschlagend, zu dem Beringstedter Bahnhof. Sein Zug war aber pünktlich um 6.17 Uhr, mitsamt dem großen, alten Gespensterkoffer im Gepäckabteil, ohne das unpünktliche, kleine Gespenst los gefahren.
Oh, wie sehr hoffte das kleine Gespenst, dass seine Gespensterfamilie es irgendwie vermisst hätte und auf es warten würde. So flog es traurig, mit hängenden Gespensteröhrchen, zu seinem alten Melkergespensterhäuschen zwischen Ostermühlen und Beringstedt. Aber- auch dort war keine Gespensterseele mehr zu sehen.
Ganz alleine war das kleine Gespenst nun, mutterseelenallein, mit dem sicheren Wissen, dass dieses Melkerhäuschen schon bald nicht mehr sein wird.
Sicherlich hatte die große Gespensterfamilie in all dem aufregenden Reisetrubel nicht einmal bemerkt, dass ihr kleinstes Gespenst gar nicht zu ausgemachter Zeit am Beringstedter Bahnhof erschienen war. Sie mussten die blonde, hübsche Bahnbeamtin bestimmt noch irgendwie auf den alten, großen Koffer aufmerksam machen. Dann noch das Einsteigen in den Koffer, das sicherlich das reinste Chaos war. Nein, da konnte sicherlich gar kein großes Gespenst nach dem kleinen Gespenst Ausschau halten.
Sicher mussten die großen Gespenster alle schrecklich aufpassen, dass sie sich beim Einsteigen in den alten Koffer, nicht alle miteinander verknoteten. Das hätte gerade noch gefehlt.
Aber, wenn sie es bemerkt hätten, wenn - dann hätten sie ganz bestimmt auf das kleine Gespenst gewartet. Nie und nimmer hätten sie es dann alleine gelassen. Die Gespenster hatten sich doch alle so sehr lieb und sie waren ansonsten immerzu für einander da.
Als das kleine Gespenst nun so ganz einsam und alleine in dem alten Melkerhäuschen, das ja schon bald abgerissen werden sollte, saß ,und ihm so gar nicht einfallen wollte, was es denn nun am besten tun sollte, schlief es vor lauter Kummer ein. Außerdem, Gespenster müssen ja am Tage schlafen, sie sind ja nachtaktiv. Das wisst Ihr aber inzwischen bestimmt auch, oder?
Draußen war schon wieder stockdunkle Gespensternacht, als das kleine Gespenst aufwachte. Sogleich kam ihm dann eine Idee, schließlich hatte es nun ausgeschlafen und war gut erholt. Dem kleinen Gespenst fiel ein, dass es, als es vorige Woche, nachts in unserer Straße mal wieder so ein bisschen spuken wollte, in unserem Haus noch Licht gesehen hatte. Licht, zu einer Zeit, zu der die Menschen normalerweise und eigentlich schlafen. Weil das kleine Gespenst ein schrecklich neugieriges kleines Gespenst ist, musste es natürlich unbedingt ergründen, warum es in meinem Schlafzimmer noch hell war. Da eine Vorhanghälfte aufgezogen war, konnte das kleine Gespenst klammheimlich und von uns unbemerkt in das Schlafzimmer hineinsehen.
Ich lag mit Martin, der leider wieder einmal krank war, in meinem großen Bett. Martin ging es sehr schlecht. Er hatte, wie schon so oft, eine sehr schmerzhafte Mittelohrentzündung und weinte, weil ihm alles so schrecklich weh tat und es kein bisschen besser wurde. Es ist schon merkwürdig, wenn man Schmerzen hat, spürt man sie in der Nacht dummerweise immer am allerschlimmsten. Das habt Ihr sicher auch mal erlebt.
Unser Papa musste zu einer mehrtägigen Dienstreise nach Neustrelitz fahren und so war ganz viel Platz im Bett.
Den Landarzt aus Todenbüttel konnten wir erst am anderen Morgen anrufen. Der schlief nämlich um diese Zeit wirklich tief und fest, wenn ihn nicht gerade ein kleines Gespenst wach getrommelt hatte. Wenn ich seine Telefonnummer anwähle, meldet sich nur der Anrufbeantworter und der kann für Martin auch keine Medizin verschreiben.
So versuchte ich Martin zu trösten und schmuste mit ihm. Um ihn noch bisschen mehr abzulenken, sahen wir uns zusammen eine Autozeitung an. Martin liebt Autos über alles. Wenn andere Kinder Bilderbücher oder Comics ansehen, schaut Martin dafür lieber Autozeitungen an. Seine Lieblingszeitung ist zurzeit eine Motorradzeitung. Die kann Martin immer und immer wieder anschauen.
Wenn mein armes Kind schon vor Schmerzen nicht schlafen konnte, sollte es in seinem Elend nicht auch noch alleine sein müssen in der dunklen, kühlen Nacht. Deshalb durfte Martin auch mit in Mamas Bett kommen.
Wenn Mama dabei ist, ist alles Schlimme nur noch halb so schlimm. Hab ich recht?
Als es dem kleinen Gespenst nun so jämmerlich schlecht ging und es sich ohne seine Gespensterfamilie so schrecklich alleine und hilflos fühlte, da fiel ihm ein, was es bei seinem heimlichen Blick in mein Schlafzimmerfenster gesehen hatte - Geborgenheit und Trost. Genau danach sehnte das kleine Gespenst sich jetzt auch ganz entsetzlich doll dringend.
Das kleine Gespenst beschloss, sich zuerst einmal ganz vorsichtig und heimlich, auf dem Dachboden unserer Garage zu verstecken, um sich alles noch einmal ganz genau zu überlegen. Es dachte darüber nach, wie es das denn nun am besten anstellen konnte, um mit mir ins Gespräch zu kommen.
Normalerweise sprechen Gespenster ja nicht unbedingt mit Menschen. Die Gespenster erschrecken die Menschen eigentlich nur gerne .Aber in diesem ganz besonderen Fall musste es wohl eine Ausnahme geben. Gespenster gab es in Beringstedt seit 13, ja nun leider keine mehr.
Nun beobachtete das kleine Gespenst uns ganze zwei Tage, wenn es nicht gerade schlief -und zwei Nächte. Es musste sich auch erst richtig sicher werden, ob es mir wirklich vertrauen konnte. So sah es Ricky, der in der kleinen Werkstatt hinter der Garage an seinen Mofas herumbastelte, die alle irgendwie nicht mehr funktionieren wollten, oder noch nie funktioniert hatten. Das kleine Gespenst konnte sehen und hören, wer von uns wann das Haus verlies und wann er wiederkam. Es sah, wann Besuch zu uns kam und wieder ging. Das kleine Gespenst bekam sogar mit, dass unsere Nachbarin fast pausenlos ihren Hof und die Straße fegte. Sie fegte auch bei Wind und Sturm. Zu welcher Zeit die Lichter in den Zimmern an und ausgingen, konnte es sehen und wann die Katzen zur Jagd schlichen auch.
Dann endlich war es mutig genug sich auf unserer Terrasse nieder zu lassen um darauf zu warten, bis hier der Tag beginnen würde. Immer noch hatte es Angst, dass es seine Gespensterfamilie nicht wieder sehen sollte. Da war es dann ein bisschen froh, dass es wenigstens seine Tierfreunde hier überall wohnen hatte. Aber dass die ihm aus dieser misslichen Situation heraushelfen konnten, daran glaubte es nicht wirklich.
Normalerweise treffen Menschen und Gespenster tagsüber nur selten aufeinander. Am Tage schlafen die Gespenster und nachts natürlich wir Menschen, normalerweise. Um mit mir reden zu können, musste sich das kleine Gespenst schon ganz schön anstrengen um nicht einfach einzuschlafen. Als mir das kleine Gespenst zum ersten Mal morgens um viertel vor sechs auf der Terrasse auffiel, und ich es ja anfangs für eine weiße Tischdecke hielt, da musste es sich ganz schön abmühen, seine großen Gespensteraugen auf zu halten. Schließlich war es Schlafenszeit für Gespenster und das kleine Gespenst war tüchtig müde.
Da ich morgens immer wahnsinnig viel zu tun habe, musste das kleine Gespenst, versteckt hinter dem braunen Sofa im Wohnzimmer, reichlich lange versuchen, bloß nicht einzuschlafen.
Nachdem mir das kleine Gespenst nun seine aufregende Geschichte erzählt hatte und so langsam gar nicht mehr aufhören konnte zu gähnen, und weil es wirklich ganz entsetzlich müde aussah, bot ich ihm an, auf unserem Dachboden hier im Haus, erst einmal richtig auszuschlafen, damit wir dann in der Nacht, wenn es wieder aufgewacht war, weiter beratschlagen konnten, was zu tun ist. Ich würde dann ausnahmsweise mal länger aufbleiben,
Außerdem konnte ich, während ich meine Hausarbeit erledigte, und beim spazieren gehen mit meinem Hund, in aller Ruhe überlegen. Ich war mir sicher, dass mir dann im Laufe des Tages schon eine brauchbare, rechte Idee kommen würde. Ich habe nämlich oft gute Ideen, müsst Ihr wissen. Da könnt Ihr auch meinen Mann danach fragen
Ohne mir zu antworten, schwebte das kleine Gespenst nach oben. Alles passierte wieder so rasend schnell, dass ich dem kleinen Gespenst kaum folgen konnte. Schließlich musste ich ja Stufe für Stufe gehen, fliegen hatte ich leider noch nicht gelernt. Die Dachluke wollte ich für das kleine Gespenst öffnen, damit es auf den Spitzboden hinauf schweben konnte. Das konnte ich mir allerdings schenken. Die Ritze an der Dachluke, durch die es immer ein bisschen zog hier im Treppenhaus, genügte dem kleinen Gespenst schon völlig aus. Wusch- war es auch schon verschwunden.
Na ja, ist ja auch klar. Gespenster können sich, wenn sie müssen, wahnsinnig klein und dünn machen. Türen müssen ihnen wirklich nicht geöffnet werden. Wie auch sonst, hätte der Umzug für die ganze große Gespenster Familie in nur einem Koffer klappen sollen?
"Du musst aber warten, bis ich Dich heute Nacht wieder rufe. Hier müssen erst alle schlafen im Haus, dann habe ich wieder Zeit für Dich. "Schlaf süß und träume was Schönes, Du niedliches Gespensterkind", rief ich noch schnell zum Dachboden hinauf. Als sei es ganz weit von mir entfernt, konnte ich noch ein gegähntes "mhmhhh" hören, danach muss das kleine Gespenst wohl auf der Stelle eingeschlafen sein.
Was war ich nun froh, dass wir diesen Dachboden hatten.
Die einzige Stelle im Haus, wo garantiert, außer einmal im Jahr der Schornsteinfeger, mit Sicherheit ansonsten niemand hin kommt.
Hier oben ist kalt und zugig, man kann sich problemlos ständig den Kopf anstoßen an den Dachbalken, und wenn man nicht genauestens aufpasst, wo man hintritt, kann man in dem dünnen Holzboden einkrachen und würde durch die Decke in unsere Schlafzimmer einkrachen.
Außerdem ist sehr mühsam, die schmale Treppenleiter auf zu klappen, ohne die wir Menschen nie und nimmer auf den Spitzboden hinauf kämen.
Uijuijuihhh, ich habe ein tatsächliches Gespenst im Haus. Niemand wird mir das je glauben, bloß, weil die sturen Erwachsenen meinen müssen, immer alles ganz genau und auf jeden Fall besser zu wissen. Also behalte ich dieses Geheimnis lieber besser für mich.
Damit mir auch ja wirklich etwas einfällt, sollte ich mich lieber ganz doll anstrengen meine grauen Zellen zu aktivieren. Es ist doch schließlich so entsetzlich wichtig für das kleine Gespenst, dass es sich so bald wie möglich auf den Weg machen konnte, zu seiner siebenundzwanzigköpfigen Gespensterfamilie zu reisen , die bestimmt schon in Edinburgh in Schottland angekommen war und die nun auch sicherlich inzwischen gemerkt haben muss, dass das kleinste Gespenst ihrer großen Famillie fehlt.
Den ganzen, lieben langen Tag überlegte ich sehr angestrengt und mir kamen in der Tat einige, eventuelle Möglichkeiten in den Sinn. Bloß, ich musste sie alle noch einmal genauestens überdenken, bevor ich sie heute Nacht dem kleinen Gespenst vortragen konnte. Auf keinen Fall wollte ich dem lieben Wesen falsche Hoffnungen machen. Wenn, dann sollte es die absolut superrichtige Lösung sein.
Auf alle Fälle musste das kleine Gespenst erst einmal wieder richtig ausgeschlafen sein, um mir auch aufmerksam zuhören zu können. Nicht noch einmal sollte es so etwas wahnsinnig Wichtiges verpassen, bloß, weil es nicht richtig aufpassen konnte.
Zu dumm aber auch, dass ich wirklich mit gar niemandem darüber reden konnte. Oder könnte ich es vielleicht eventuell, unter Umständen doch? Eigentlich müsste ich ja nicht so ganz unbedingt alles richtig erzählen. Wenn ich es klug genug anstellte und aufpasste, dass ich mich nicht verplappere, dann ginge es vielleicht möglicherweise doch? Selbstverständlich dürfte niemand auch nur ein ganz kleines bisschen erahnen, um welches tatsächliches Anliegen es sich handelt.
Nachdem ich ein blitzschnelles Mittagessen geplant hatte - es sollte Omelett Konfitüre geben - weil, Eierpfannkuchen sind ja immer schnell zubereitet und alle mögen sie gerne - war es schon viertel nach eins. Meine Güte, wie schnell war doch die Zeit heute vergangen. Bei all der anstrengenden Nachdenkerei hatte ich irgendwie den Vormittag ganz anständig vertrödelt. In fünfzehn Minuten kommt Ricky schon aus der Schule wieder nach Hause und Ricky will sicherlich sofort etwas zu futtern haben. Also, ganz schnell an die Bratpfanne Mama befahl ich mir selber.
Als Ricky an unserem großen, langen Esstisch in der Küche Platz genommen hatte und der erste Bissen in seinem Mund verschwunden war, nahm ich allen Mut zusammen und sprach ihn auf mein heutiges Hauptproblem, natürlich nur indirekt, an.
"Du, Ricky. Wenn Du - zum Beispiel - sagen wir mal, einen lebenden Wellensittich ganz schnell nach England schicken müsstest, irgendwie, wie würdest Du das anstellen?"
Mein großer, lieber Sohn sah mich ganz merkwürdig an, während er seinen ersten Bissen hinunterschluckte. Dabei fühlte ich mich schon ein ganz klein wenig ertappt. Da antwortete er mir: "Na ja, eigentlich ist so was ja irgendwie Tierquälerei. Aber wenn es denn schon so ganz unbedingt sein müsste, dann würde ich das Tierchen in einen großen Vogelkäfig setzen, ausreichend Wasser und Sittichfutter hineinfüllen und den Käfig in Hamburg Fuhlsbüttel am Flughafen als Frachtgut aufgeben. Aber- wieso um Himmels Willen willst Du auf einmal Wellensittiche nach England schicken, haben die vernebelten Engländer denn keine eigenen Vögel mehr?" Während Ricky mir diese Antwort gab, sah er mich immer durchdringender an. Sicherlich wurde ich puterrot im Gesicht, oh, oh, bloß nicht ertappen lassen.
Gegen 14.00 Uhr kam zufällig unser Freund Carsten vorbei. Weil bei uns sowieso gerade Essenszeit war, nahm auch Carsten an unserem Esstisch platz .Diese Gelegenheit musste ich natürlich umgehend nutzen und so stellte ich meine Frage auch an Carsten: "Du Carsten ,wenn Du - sagen wir mal zum Beispiel, eine weiße Maus ganz dringend und schnell nach England schaffen müsstest, wie würdest Du das bewerkstelligen?"
Nun saß da noch jemand mit in unserer Küche am Esstisch, der mich ebenfalls mit einem so fragenden, merkwürdigen Blick ansah. Wahrscheinlich nahm mein, eh schon leicht gerötetes, Gesicht noch etwas mehr dieser Farbtönung an. Jedenfalls spürte ich, als auch Carsten mich so total ungläubig anschaute, so eine innerliche, seltsame Hitze in mir aufsteigen und nach außen dringen. So jedenfalls musste jemand aussehen, der geschwindelt hatte und nun von seinem schlechten Gewissen geplagt wurde. Ach, ja- Du kennst das auch?
Aber immerhin, Carsten antwortete mir: "Auweia, Du hast aber heute witzige Probleme. Weiße Mäuse muss garantiert niemand auch nur irgendwo hinschicken. Die Tierchen vermehren sich so rasend schnell, dass es mit großer Sicherheit auch in England Übermengen davon gibt. Wenn es denn doch unbedingt sein müsste, würde ich sie in einen Mausekäfig stecken, genügend Wasser und Mäusefutter mit hineinpacken und versuchen, sie über die Mitfahrzentrale in Kiel von jemandem, der sowieso gerade nach England fährt , als Beipack mitnehmen zu lassen. Das ist sicherlich die billigste Transportmöglichkeit."
Ricky und Carsten sahen sich grinsend an bevor sie lauthals losprusteten vor Lachen. Sie lachten so doll, dass sie sich ihre Bäuche halten mussten, weil die anfingen weh zu tun, vor lauter Lachen. Natürlich wunderten sich die Beiden über meine merkwürdige Fragen. Da sie das ganze wohl für einen Scherz von mir hielten, gingen sie nicht weiter darauf ein, was mir dann auch ganz lieb war. Jedenfalls hakte keiner von Beiden nach. Das kleine Gespenst in einen Käfig zu stecken erschien mir ohnehin nicht das Richtige zu sein, also musste ich selber weiter nachdenken.
Als nächstes kamen Steffi und Martin von der Schule nach Hause und somit war meine Zeit bis in den späten Abend vollkommen ausgefüllt. Es gab nicht mehr sehr viele Möglichkeiten für mich, um in Ruhe nachdenken zu können. Zwar kamen noch einige Kinder vorbei, um mit meinen Kindern zu spielen, aber ich traute mich einfach nicht mehr, noch jemanden mit meiner Frage zu löchern. Ricky, so hatte ich das Gefühl, sah mich an diesem Tag jedes mal noch merkwürdiger an, wenn er mir über den Weg lief. Ich fand es sehr schade, dass er so wenig sensibel war, um zu spüren, wie wichtig mir seine Meinung zu meinem Gespenstertransportproblem war. Ricky war eben gerade in einem Alter, indem die Eltern sowieso anfangen, ein bisschen lästig, merkwürdig und nervig zu werden- nach allgemeiner Meinung der Jugendlichen. Damit musste ich mich nun abfinden. Ändern konnte ich jedenfalls an dieser Tatsache überhaupt nichts, das gehört wohl zum Erwachsenwerden dazu und es sind dann wohl die Wechseljahre der Kinder.
Um viertel nach sieben lagen Steffi und Martin dann endlich gewaschen, müde und satt in ihren Betten. Ricky saß oben in seinem Zimmer um an seinem Computer Hausaufgaben zu machen, die er besser schon vorgestern fertig gehabt hätte.
Eine Runde Gassi gehen mit meinem lieben Hund, schnell noch ein später Blick in die Tageszeitung, die ich an diesem Tag bei all der Aufregung ganz vergessen hatte zu Ende zu lesen. Normalerweise habe ich die Zeitung immer bis mittags gelesen um sie dann meinen Nachbarn rüberzubringen, damit die Zeitung nochmals gelesen werden kann.
Ich beschloss, noch so lange zu warten, bis ich auch aus Rickys Zimmer keine Geräusche mehr hören konnte. So erledigte ich noch die Bügelwäsche, die sich dummerweise schon wieder angesammelt hatte. Bügeln gehört zu den Hausarbeiten, gleich nach dem lästigen Fensterputzen, auf die ich wirklich jederzeit gut verzichten könnte, aber gemacht werden muss es ja doch.
Eine passende Lösung war mir aber trotzdem immer noch nicht eingefallen für das schlimme Problem des kleinen Gespenstes, das ich nun hoffentlich bald vom Spitzboden herunter rufen konnte.
Mit dem Flugzeug, selbst in anderer Verpackung, das wäre sicher viel zu teuer und die Kieler Mitfahrzentrale war sicher auch keine sinnvolle Möglichkeit. Wer sollte denn auch schon gerade in den nächsten Tagen von Kiel nach Schottland fahren mit dem Auto? Schließlich hatten wir noch keine Ferien.
Das kleine Gespenst irgendwie mit dem Zug fahren zu lassen, würde sicherlich auch sehr viel kosten. Wir hatten leider keinen Goldtaler, wie der Gespensterururopa, irgendwo gebunkert. Außerdem müsste das kleine Gespenst so, viel zu lange, ganz alleine in einem Koffer eingesperrt bleiben.
Ein plötzliches, lautes Telefonklingeln schreckte mich auf aus meinen Tagträumen. Es war unser Papa, der, wenn er auf einer Dienstreise ist, immer am Abend anruft um zu fragen, was es Neues gibt zu Hause.
Kurz hatte ich noch überlegt, ob ich ihm alles erzählen sollte, aber dann dachte ich, dass er einen tüchtigen Schreck bekommen würde und wohl annehmen würde ich sei krank oder hätte was Falsches gegessen oder so.
Ich musste meine Frage allerdings auch irgednwie meinem Mann stellen und ließ mir wieder etwas anderes einfallen.
„Schätzchen, ich habe eine Frage, vielleicht fällt Dir was Tolles dazu ein. Wie würdest du, natürlich nur, wenn es wirklich sein müsste, einen Laubfrosch nach Groß Britannien transportieren, wenn Du es nicht selber machen könntest und es wäre brandeilig?"
Am anderen Ende der Leitung war ein betretenes Schweigen. Ich rief „Huhu, bist Du noch da?" in den Hörer, und dann bekam ich auch eine Antwort.
„Es ist wohl doch nicht so gut, wenn ich länger weg bin von zu Hause. Irgendwie habe ich das Gefühl, jemand stellt in Beringstedt gerade irgendeinen Blödsinn an.
Reiseunternehmen, die Busreisen anbieten, die würde ich ansprechen ob sie in ihrem großen Kofferraum unter den Sitzen, vielleicht noch eine Schachtel mitnehmen könnten. Aber für den Frosch wäre das sicherlich nicht sehr angenehm.
Du solltest jetzt aber lieber ins Bett gehen, mein Schatz, es scheint Dir nicht besonders gut zu gehen, heute Abend. Ich lege mich auch gleich hin, gute Nacht, schlaf schön und grüß alle ganz lieb von mir morgen früh, Freitag bin ich ja wieder da."
Na ja, bei dieser Antwort meines lieben Mannes, war es sicher auch besser, dass er nicht wusste, was ich wirklich vorhatte.
Weil mir ansonsten beim Baden immer so tolle Einfälle kamen, nahm ich nun erst mal ein schönes, warmes, entspannendes Bad mit herrlich duftendem, rosa Rosmarienbadeöl. Diese Flasche Badeöl hatte ich nur für mich ganz alleine gekauft, für ganz besondere Anlässe, und heute war so ein besonderer Anlass.
Ausgerechnet heute wurde ich einfach nur müde. Wahrscheinlich hatte mich das intensive Nachdenken den ganzen Tag über doch zu sehr angestrengt .Nach dem Bad kuschelte ich mich kurz unter mein warmes Federbett, eine Illustrierte durchblätternd, in der Hoffnung so vielleicht eine sinnvolle Eingebung zu bekommen.
Ohne dass ich etwas davon merkte, muss ich wohl unbeabsichtigt eingeschlafen sein. Als ich wieder aufwachte - immer noch die Illustrierte in der Hand haltend, zeigte mein Wecker, der unter der kleinen Nachttischlampe rechts neben meinem Bett steht - es ist 23.15 Uhr.
Voller Panik sprang ich aus dem Bett. .Das arme kleine Gespenst. Hoffentlich denkt es nicht, dass ich es vergessen hätte oder noch schlimmer, dass ich ihm nicht mehr helfen wollte.
Schnell rannte ich die Treppe hinunter, um meine Buchregale im Wohnzimmer durchzuforsten. Eventuell könnte ich ja dort auf die Schnelle etwas Sinnvolles entdecken. Dann erschien mir diese Möglichkeit auch zugleich wieder aussichtslos. Bis ich alle meine 3500 Bücher durchgeblättert hätte, würde viel zu viel Zeit vergehen. Das kleine Gespenst wartete doch sicher ungeduldig darauf, dass ich endlich nach ihm rufen würde. Noch länger konnte ich es einfach nicht warten lassen, da wäre ich mir doch sehr gemein vorgekommen.
Ganz leise stieg ich wieder die Treppe hinauf, stellte mich unter die geschlossene Dachluke und rief ganz leise, damit ich meine Kinder nicht aufweckte:" Hallo kleines Gespenst, hast Du ausgeschlafen und willst Du wieder zu mir nach unten kommen?" Ich hatte meine Frage noch nicht richtig beendet, da stand das kleine Gespenst auch schon direkt neben mir. Wieder hatte ich nicht gesehen, wie es sich so schnell und leise fortbewegte.
Zwei große Gespensteraugen sahen mich fragend an." Und, ist Dir was eingefallen"? wurde ich sofort von dem kleinen Gespenst gefragt .Um es nicht gleich zu enttäuschen, bat ich das kleine Gespenst, mit mir nach unten in die Küche zu kommen. Zum einen konnten wir uns dort in normaler Lautstärke unterhalten ohne dass ich Angst haben musste, dass wir durch unsere Unterhaltung ein Kind aufwecken könnten ,zum anderen - ich war müde und musste mir unbedingt eine Kanne Kaffee kochen, damit ich wach bleiben konnte.
Das kleine Gespenst brauchte kein Licht. Gespenster sehen in der Dunkelheit genau so gut, wie wir Menschen am Tage. Damit ich etwas sehen konnte, holte ich meinen tollen, gusseisernen Kerzenständer vom Wohnzimmertisch, stellte ihn auf den Küchentisch und zündete alle vier Kerzen an. So war es ja auch viel gemütlicher, fand ich jedenfalls.
Es machte mich sehr traurig, dem kleinen Gespenst noch keine gute Nachricht präsentieren zu können. Nervös drehte ich eine kleine Schachtel zwischen meinen Fingern. Steffi hatte diese Schachtel wohl beim Spielen auf dem Küchenstuhl vergessen. Ich mochte dem kleinen Gespenst gar nicht so recht in die Augen schauen und sah nur verlegen auf meine Finger und die kleine Schachtel. Auf einmal - plopp - hatte ich eine wirklich zündende Idee.
Strahlend sah ich meinem kleinen Gast nun ins Gesicht. Und dann stellte ich die alles entscheidende Frage an das kleine Gespenst. "Sag mal mein kleines, liebes Gespensterkind, könntest Du es unter Umständen schaffen, ganz in dieser Schachtel zu verschwinden"? Ich platzierte die kleine, von Steffi vergessene Schachtel auf den Küchentisch und wartete sehr gespannt, was nun passieren würde. Prüfend besah sich das kleine Gespenst die Schachtel von allen Seiten, von innen und außen und dann antwortete es mir mit aufgeregter, leicht zitternder Stimme:
"Hm, ja - doch, ich denke mal schon. Geübt habe ich gerade so was ja noch nicht, aber ich werde es jetzt einfach mal sofort versuchen".
Es machte leise zirrp, huschdihusch - und schon war das kleine Gespenst kein bisschen mehr zu sehen. Neugierig nahm ich die kleine Schachtel in die Hand. Sofort begann es in der kleinen Schachtel schrecklich zu rumoren. Es war so ähnlich, wie wenn man eine eingeschaltete, elektrische Zahnbürste in der Hand hält. Es vibriert und kitzelt so merkwürdig, irgendwie.
"Oh wie toll, das ist ja echt spitze. Du passt tatsächlich in diese Schachtel rein. Dann, mein kleines Gespenst, dann bist Du spätestens übermorgen bei Deiner geliebten Gespensterfamilie in Edinburgh in Schottland, das kann ich Dir nun mit absoluter Sicherheit garantieren", teilte ich meinem, vor lauter Freude zitternden, kleinen Gast nun mit. Ich selber war mindestens genau so aufgeregt wie das kleine Gespenst und meine Freude über die endlich gefundene Lösung war mindestens genau so groß, wie die, des kleinen Gespenstes.
Die kleine Schachtel, in der das kleine Gespenst morgen seine Reise antreten konnte, war gelb. So richtig auffallend zitronengelb. Ein großer Vorteil für den Transport war, dass die Schachtel aus richtig dicker, fester, stabiler Pappe geklebt war. So würde sie mit Sicherheit auch einen etwas rauen Transport heil überstehen.
Nun musste mir das kleine Gespenst noch die genaue Adresse in Edinburgh in Schottland nennen. Glücklicherweise hatte es sich die Anschrift - wahrscheinlich aus purem Versehen - tatsächlich gemerkt. Wenn nicht, dann hätten wir schon wieder ein neues Problem gehabt. Ihr seht also, immer gut aufpassen, ist wichtig!!!!!!
Mit einem dicken, schwarzen Filzstift schrieb ich die Adresse, die mir das kleine Gespenst genannt hatte, in großen, deutlichen Buchstaben auf die gelbe Schachtel. Zwar sah das alles geschrieben etwas merkwürdig aus, aber ich hoffte doch sehr, dass es nun so seine Richtigkeit hatte und dass, wer auch immer die Schachtel ausliefern musste an ihrem Zielort, verstehen konnte, wer die Empfänger sein sollten .Die Anschrift sollte lauten:
An die große ,nette Gespensterfamilie
Schloss rotes Haus- Redhousecastle - im Wald, bei dem großen Moor
Edinburgh Schottland
"So, mein kleines Gespenst. Morgen Nachmittag, um 15.00 Uhr wecke ich Dich. Dann huschst Du gleich in die gelbe Schachtel. Wenn Du drinnen bist, klebe ich zur Sicherheit die ganze Schachtel noch einmal rundherum mit dickem Klebeband zu. Gegen 15.30 Uhr gehe ich dann mit Deiner gelben Reiseschachtel zu unserem kleinen Dorfpostamt hier in Beringstedt. Du wirst von mir als Luft und Eilpostsendung mit Sonderzustellung am Postschalter, bei einer sehr netten Postbeamtin aufgegeben.
Oberstes Gebot für Dich- und bitte, denke immer daran- verhalte Dich die ganze Reise über mucksmäuschen still. Solange, bis Du von Deiner Familie aus der Schachtel befreit wirst. Wundere Dich nicht, der Transport kann ganz schön unruhig werden. Deine gelbe Schachtel wird in Beringstedt von der netten Postbeamtin mit Briefmarken beklebt und abgestempelt, danach wirst Du in einen riesigen, braunen Postsack einsortiert. Mit dem Postsack kommst Du am späten Abend mit einem großen, gelben Postauto nach Neumünster im Hauptpostamt an. Dort wirst Du wieder in einen anderen Postsack umsortiert und so bist Du zwei Stunden später am dem Hamburger Flughafen. Es wird nochmals umsortiert, danach geht es aber los. Wenn Dein Postsack in Schottland angekommen ist, wirst Du nochmals umsortiert. Die nächste Station müsste dann Dein Redhousecastle sein". So versuchte ich dem kleinen Gespenst alles zu erklären, in der Hoffnung, dass es trotz der ganzen Augregung alles richtig verstehen konnte.
Das kleine Gespenst war nun total happy und völlig aus dem Häuschen. Übermütig flog es juchzend das Treppenhaus hinauf und dann wieder hinunter, immer und immer wieder. Ich bekam schon Angst, meine Kinder könnten durch diesen Freudenlärm aufgeweckt werden. Und noch einmal flog mein kleines Gespensterkind überglücklich in einem großen Bogen um die Küchenlampe.
Plötzlich kam es auf mich zugeflogen, schlang seine kleinen, weißen
Gespensterärmchen um meinen Hals. Freudig gab es mir ein ganz liebes Gespensterküsschen mitten auf meinen Mund.
Noch nie im Leben hatte mich je ein Gespenst geküsst .Es ist ganz anders, als wenn meine Kinder oder mein Mann mir ein Küsschen geben. Ganz anders, als die Schlapperzunge meines Hundes oder die raue Zunge meiner Katzen Dieses Gespensterküsschen war kühl und es kribbelte irgendwie wie schmelzendes Eis auf meiner Haut. Doch egal wie sich das Küsschen auch anfühlte, ich konnte die überschwängliche Freude und das Glück des kleinen Gespenstes sehen, hören und fühlen. Das war so wunderbar und erfüllte auch mich mit purem Glücksgefühl. Schade, dass ich nicht auch einfach so. voller Freude mit dem kleinen Gespenst durch das Haus fliegen und toben
konnte.
Inzwischen war es schon fast Morgen geworden und mein Wecker sollte mir schon bald wieder bescheid sagen, dass mein neuer Tag beginnt. Wenigstens eine Stunde wollte ich mich noch ausruhen dürfen.
Dem kleinen, glücklichen Gespenst sagte ich noch einmal, dass es am Nachmittag um 15.00Uhr gut ausgeschlafen sein musste, weil es eine lange, anstrengende Reise vor sich hatte. Dann gingen wir gemeinsam, wie zwei gute, alte Freunde die Treppe nach oben hinauf. Blitzschnell verschwand das kleine Gespenst wieder durch die Dachlukenritze und ich kuschelte mich zufrieden, noch für eine kurze Zeit in mein Bett.
Schlafe gut kleines Gespenst -und viel Glück für Dein ganzes, langes Gespensterleben.
Als mein Radiowecker anfing, mir die Uhrzeit mitzuteilen, bekam ich kaum meine Augen auf, so müde war ich noch. Ich bin es einfach nicht gewohnt, so spät ins Bett zu gehen. Als erstes musste ich mir an diesem Morgen einen ganz besonders starken Kaffee kochen, um richtig wach zu werden.
Der Vormittag verlief wie jeder Vormittag, aber irgendwie war ich, obwohl nun alles in Ordnung zu kommen schien, für meinen kleinen zauberhaften Gast, auf einmal sehr traurig. In der kurzen Zeit hatte ich das kleine Gespenst nämlich sehr lieb gewonnen. Es war kein schönes Gefühl für mich, dass ich das kleine Gespenst am Nachmittag das letzte Mal sehen sollte und nie, nie wieder etwas von ihm hören würde.
Wie gerne hätte ich seine ganze Gespensterfamilie kennen gelernt. Wie gerne hätte ich ihnen wenigstens einmal beim Spuken zugesehen und mir spannende Geschichten aus ihrem Gespensterleben erzählen lassen.
Natürlich war mir klar, dass das kleine Gespenst nur bei seiner Familie wirklich glücklich sein konnte. Welches Recht hatte ich überhaupt, so traurig zu sein? Andererseits konnte ich mir wirklich und wahrhaftig sehr gut vorstellen, dass dieses bezaubernde Traumwesen, nur all zu gut zu meinen Kindern passen könnte. Es hätte mich kein bisschen gestört, wäre es für immer bei uns geblieben, ganz im Gegenteil.
Pünktlich um 15.00 Uhr weckte ich das kleine, verschlafene Gespenst auf. Lange fünf Minuten sahen wir uns schweigend an. Dieses Schweigen sagte alles Liebe, was wir in diesem Moment füreinander empfanden - besser, als Worte es je hätten ausdrücken können. Es kam aus uns heraus und würde immer in unserer Erinnerung bleiben.
Dann verschwand das kleine Gespenst schweigend in der gelben Schachtel. Noch ein paar feste Klebestreifen und wir begannen langsam, uns auf den Weg zum Postamt zu machen. Sechs Küsschen gab ich dem kleinen Gespenst mit auf den Weg und gute Wünsche für die Ewigkeit. Nach zwanzig Minuten waren alle Formalitäten erledigt. Ich sollte noch 24.00 DM für die Briefmarken bezahlen und konnte noch zusehen, wie die gelbe Schachtel in einem großen Postsack verschwand.
Seufzend, noch einmal hinter mich sehend, verließ ich schweren Herzens das Postamt um langsam, mit schweren Schritten wieder nach Hause zu gehen. Niemand konnte verstehen, was denn plötzlich mit mir los war. Ganze zwei Tage war ich tieftraurig .Dieses kleine Wesen wird für immer einen Platz in meinem Herzen behalten.
Damit ich das kleine Gespenst wirklich nie vergessen werde, nahm ich an meinem schönen, alten Schreibtisch, der im Schlafzimmer vor dem Fenster steht, platz, und begann alles auf zu schreiben. So konnte ich jederzeit wieder nach lesen, wenn ich dieses märchenhafte Erlebnis vielleicht doch einmal vergessen sollte.
Zufällig sah ich mir am Abend des 27. im Fernsehen die Nachrichten an. Kurz bevor der Wetterbericht anfangen sollte, gab der Nachrichtensprecher noch eine Meldung durch.
"Am Abend des 25. wurden vor einer Fernsehsendeanstalt in Edinburgh in Schottland von einem Portier und einer Reinemachfrau, die gerade ihren Spätdienst angetreten hatten, eine große Gruppe von Gespenstern gesichtet. Anführer dieser außergewöhnlichen Demonstration war ein kleines Gespenst, das eine gelbe Schachtel in seinen Händen hielt. Für diesen Vorfall gab es keine weiteren Zeugen."
Hocherfreut sprang ich von meinem Sessel auf. Das war es. Es war ganz bestimmt eine Nachricht für mich. Mein geliebtes, kleines Gespensterkind wollte mich wissen lassen, dass es endlich gut in seinem neuen zu Hause angekommen ist .Es ist jetzt tatsächlich in Edinburgh in Schottland bei seiner großen, lieben Gespensterfamilie. Hoffentlich hat es keinen Ärger dafür bekommen, dass es nicht pünktlich am Bahnhof in Beringstedt war. Es hatte wirklich schon genug gelitten und seine Verspätung bitter bereut.
Ich ließ einen lauten Freudenschrei los und hüpfte wie ein Pingpong Ball durch das Wohnzimmer. Vorbei war es nun mit der Sorge, dass die gelbe Schachtel irgendwo auf dem Postweg verloren gegangen sein könnte oder eventuell an eine verkehrte Adresse ausgeliefert wurde.
Nun konnte ich wirklich beruhigt sein, alles war in Ordnung. Sofort ließ der unangenehme Druck in meinem Magen nach, der mir seit der Abreise meines kleinen Gastes großes Unbehagen verursachte.
Merkwürdig war nur, außer mir hatte niemand diese Nachrichtenmeldung gehört oder gesehen.
Ricky, der mit mir die Nachrichten ansah, nahm nur eine eingeblendete Tafel auf der stand: Kurze Bildstörung wahr. Natürlich schaute er mich an, als hätte ich nicht alle Sinne beisammen. Er wusste ja von allem nichts, von meinem wunderbaren Erlebnis. Einen Freudentanz hatte er mich auch noch nie machen sehen, jedenfalls keinen so großen.
Ich hoffe, Euch hat mein Gespenstererlebnis gefallen und Ihr habt verstanden, dass wir jedem Wesen helfen müssen, das in Not geraten ist. Jeder von uns braucht irgendwann Hilfe und auch wir müssen spüren und sehen, wenn jemand unsere Hilfe braucht.