Rausgeflogen
1986
Der interressandte Film Gottes vergessene Kinder lief in den Kinos an und ich wollte ihn unbedingt sehen. Ich hatte Überlegungen angestellt, ob ich vielleicht in Kiel beginnen sollte, die Gebärdensprache zu lernen. So war dieser Film wirklich von großem Interesse für mich.
Ab und an hatten wir auch Kontakte zu gehörlosen Menschen und ich kam mir immer ziemlich dumm und ausgeschlossen vor, wenn ich das Meiste der Unterhaltungen in Gebärdensprache nicht nachvollziehen konnte. Einge Gebärden waren gut zu verstehen, aber die Kommunikation unter Gehörlosen erschien mir immer in einem sehr schnellen Tempo zu geschehen, dem ich einfach nicht folgen konnte mit meinen Augen.
Auf jeden Fall wollte ich mir diesen Film unbedingt ansehen. Mit der ganzen Familie und einigen Freunden erwarben wir dann Eintrittskarten für eine Nachmittagsvorstellung in einem großen Kino in Neumünster, weil ich davon ausging, das eh nicht soviel los sein wird in einem Kino um diese Tageszeit, da ich unser Steffibaby mitnehmen wollte. Die kleine Maus schlief normalerweise Nachmittags immer tief und fest. Vor allem in dem abgedunkelten Raum eines Kinos würde sie sicher noch tiefer schlafen, Geräusche nahm Steffi zu diesem Zeitpunkt noch nicht richtig wahr. Es müsste also gut funktionieren.
Außerdem an einem Wochentag, um diese Uhrzeit, wer geht da schon ins Kino?
In der Tat war der Besucherandrang nicht sehr groß und ich nahm einen Platz ein ganz hinten, in unmittelbarer Nähe zum Ausgang, für den Fall der Fälle.
Gerade an diesem Nachmittag dachte Steffi gar nicht ans schlafen, war aber die meiste Zeit wirklich so still, als sei sie gar nicht da. Nur dreimal machte sie ganz kurz den Versuch zu plappern, aber so leise, dass dies bei dem Geräuschpegel der Lautsprecher des Kinos wohl kaum von jemandem wahrgenommen wurde, dachte ich jedenfalls. Da ist es in den Abendvorstellungen schon von Hause aus wesentlich lauter, weil sich viel mehr Menschen in diesem Raum aufhalten, sich bewegen, essen und trinken, mit Naschitüten rascheln usw..
Plötzlich stand ein Mitarbeiter des Kinos neben mir. Der Film hatte noch nicht mal sein erstes Drittel rum.
„Es tut mir leid, normalerweise dürfen kleine Kinder sowieso nicht hier rein. Der Herr dort vorne fühlt sich gestört durch das Kind, bitte haben sie Verständnis und verlassen sie die Vorstellung."
Na danke dachte ich und hätte den Herrn dort vorne am liebsten mit Popcorn beworfen. Soweit da vorne konnte Steffi doch eigentlich gar nicht zu hören sein. Da muss sich jemand ja tüchtig angestrengt haben, um uns soweit da hinten überhaupt wahr zu nehmen.
Na gut, gehen wir halt. Steffi in den Buggy gepackt machte ich dann halt in der Fußgängerzone, in der Nähe des Kinos einige Besorgungen, die ich normalerweise erst nach dem Film machen wollte.
Es dauerte noch ungefähr eine halbe Stunde, dann war mein Baby sanft entschlummert.
Ganz leise wollte ich mich ins Kino zurück schleichen und dazu musste ich an dem Tresen vorbei, an dem sich die Kinobesucher mit Getränken und Naschis versorgen konnten, bevor sie den Saal betreten.
Meine Wenigkeit mit dem Kinderwagen und Steffilein hat niemand gehört und gesehen, aber ich habe jemanden gesehen. Mit einem Bierchen auf einen Barhocker gelümmelt, saß der Herr von da vorne, wegen dem wir das Kino verlassen mussten. Wahrscheinlich war ihm der Film zu langweilig geworden oder er hatte nichts mehr zum Meckern gefunden.
Na wenigsten habe ich den allerletzten Teil des Films noch mit bekommen. Steffi ist erst wieder aufgewacht, als das große Licht angeschaltet wurde.
In USA gibt es in den Kinos Kabinen für Mutter und Kind, in so eine Kabine hätte ich mich auch gerne rein gesetzt mit Steffi, hätte sie es in diesem Kino auch gegeben.