Frieden auf Erden
Brigitte Betzel-Haarnagel, 1985
Es war kalt, eise kalt und in der Luft lag was!
Er stand am Fenster, schaute in die Sterne und hoffte, es gäbe es wirklich, das Christkind.
Acht Jahre war er alt und der Zauber des Weihnachtsfestes versuchte auch in diesem Jahr ihn in seinen Bann zu ziehen.
Doch gleichzeitig war er auch traurig, richtig verzweifelt war er und die Tränchen liefen ihm die Wangen hinab. Er fühlte sich sehr alleine und hilflos.
Die Eltern und der kleine Bruder schliefen schon seit Stunden tief und fest. Im Haus war es ganz still und es roch herrlich nach den Lebkuchen, die die Mutter wie in jedem Jahr in der Weihnachtszeit gebacken hatte.
Dann sah er wieder die Bilder vor sich, die er heute Abend in den Nachrichten des Fernsehens erblickte.
Grausam zugerichtete Menschenkörper, tote, bis auf das Skelett abgemagerte, verhungerte Kinder.
Dann war die Sprache von einem Mister Reagan und es hörte sich an, als ob es wieder neue, todbringende Bomben gäbe.
Danach, in dem Dokumentarbericht über die 3. Welt waren nur erbärmlich arme und kranke Menschen zu sehen.
Der kleine Mann fragte den Vater, was das alles zu bedeuten habe. Der Vater erklärte ihm, wie böse und grausam es auf der Welt zugeht, erzählte etwas von einem Hitler, der so viele Menschen bestialisch getötet hat und der Vater erzählte auch, wie schön das Leben doch sein könnte, wenn die Menschen doch mehr Liebe und Verständnis in ihren Herzen trügen als Selbstsucht und Hass.
Schluchzend sah der kleine Mann die Straße hinunter. Er verstand es auf einmal, worüber die geliebte Großmutter schon so oft geweint hatte und es tat seiner kleinen, zarten Seele entsetzlich weh.
„Und Frieden auf Erden „ Großmutter sagte, dass es den noch nie unter den Menschen gab. Sie sagte auch immer wieder dass Geld den Charakter verderbe.
All die Reichen dieser Welt könnten die Not der Armen lindern, wenn sie nur auf einen kleinen Teil ihres Vermögens verzichten würden.
Warum es schon immer Kriege, Waffen und Töten gäbe, konnte die Großmutter auch nicht sagen. Das hätte sie eh noch nie verstanden.
Schon morgen wollte der kleine Mann die Eltern bitten, keine Geschenke für ihn zu kaufen und Taschengeld wollte er auch von nun an keines mehr haben.
Sie sollten das Geld lieber dem Herrn Pastor geben, der kennt sich gut aus hier und wird sicher wissen, wer es gerade dringender brauchen kann.
Und dann der dicke Metzger mit dem riesengroßen Haus und den immer wieder neuen Autos. Dem wollte er morgen von den armen Menschen erzählen und dann solle auch er helfen.
Der Friseur mit der schönen, jungen Frau die in diesem Jahr schon den dritten, neuen, sicher sehr teuren Pelzmantel ausführte, den wollte der kleine Mann auf alle Fälle auch besuchen.
Der Herr Direktor seiner Schule sollte eine Ansprache darüber halten und der Vater ist ja schließlich Betriebsrat. Er hat immer mit vielen Leuten zu tun, der muss eine Versammlung einberufen und über all das Traurige sprechen.
Bestimmt wissen gar nicht alle Leute, wie viel Schlimmes jeden Tag und schon so lange auf unserer Welt geschieht.
Genau, das musste es sein. Wenn es Alle wissen, dann tut es auch sicherlich Allen leid und Alle würden helfen die Welt und die Menschheit zu retten, das Leben für Alle zu verbessern.
Das war nun der einzige Weihnachtswunsch des kleinen Mannes.
Mehr brauchte und wollte er nicht.
Es begann zu schneien. Der kleine Mann wurde ruhiger und müde. Nun wusste er ja, woran es lag und er wusste, er kann es ändern.
Zwei kleine Sternlein zwinkerten ihm zu und der Mond lächelte auf die Erde hernieder.
Eine wunderschöne, große Schneeflocke blieb am Fenster hängen. Die hat mir das Christkind geschickt, dachte der kleine Mann und lächelte sanft.
Dann ging er zu Bett und betete. Ein leises Glockenklingen war plötzlich aus der Ferne zu hören und eine helle, klare Stimme rief:
„Und Frieden auf Erden, und den Menschen ein Wohlgefallen."
Möge der Himmel dem kleinen Mann sein offenes, gutes Herz für immer bewahren und mögen seine positiven Wünsche wirklich in Erfüllung gehen.