Und sie feiern Weihnachten

Brigitte Betzel-Haarnagel

Dies ist eine wahre Begebenheit die sich in diesem Jahr, im letzten Jahr und viele Jahre zuvor, in diesem, unserem Lande abspielt(e)!!!

Franz ist 52 Jahre alt, ein netter, ruhiger, nicht so ganz kluger, aber dennoch liebenswerter Mensch.

 

Als Kind kam er mit seinen Eltern, zu Fuß mitten im Winter, aus dem fernen Schlesien. Viele bedauernswerte Menschen wurden aus damals widerlichen, politischen Gründen aus ihrer geliebten Heimat vertrieben und mussten alles zurück lassen, was sie je besaßen.

 

Die Familie kam bei einem damals schon wohlhabenden Bauern unter. Nach drei Jahren verstarb die Mutter, der Vater folgte wohl aus Kummer seiner Frau nach ein paar Monaten.

 

Franz durfte bleiben, als landwirtschaftlicher Helfer- Knecht, er war ein kräftiger Bursche, der anständig zupacken konnte.

 

Schon beizeiten ließ der Bauer Franz entmündigen. Zu damaliger Zeit war das eine unkomplizierte Sache. Franz konnte nicht so schön klar Deutsch sprechen, konnte auch kaum lesen - aber er konnte arbeiten.

 

So gingen die Jahre dahin, Franz wurde älter, auch krank; Rheuma, sein Rücken und das Herz. Arbeitete er doch weit mehr, als die üblichen 40 Stunden Wochenarbeitszeit. Was blieb ihm auch anderes übrig? Er gehörte sich ja nicht selber.

 

Als Gegenleistung bekam er eine schäbige, zugige Kammer über einem alten Stall, er bekam zu Essen und zu trinken, sein bisschen Wäsche wurde gewaschen und wenn der Bauer gut gelaunt war, gab es ein paar Mark für Tabak. Ab und an nahm der Franz auch mal mit ins Kino, in die nächste Stadt.

 

Das war das Leben von Franz, er hat nie darüber geklagt. Es war einfach so.

 

Vor einigen Jahren übernahm der Sohn des Bauern den Hof. Jetzt durfte Franz nur noch arbeiten für den Jungbauern und dessen hübsche, junge Frau. Franz gehörte nun kein bisschen mehr zur Familie, und das, obwohl er für den kleinen Jungbauern doch damals immer ein guter Freund war.

 

Franz musste nur noch arbeiten, ansonsten wollte  die Familie nichts mehr mit ihm zu tun haben.

 

Wollte Franz mal ein Bier trinken gehen, so musste er erst in den nächsten Ort laufen und dort für den Wirt die Straße fegen und ihm auch ansonsten zur Hand gehen, dann bekam er, was er sich selber nicht kaufen konnte.

 

Die Menschen, für die er sehr oft sehr hart schuften musste, ließen ihn völlig links liegen und nur auf Umwegen bekam Franz von mitleidigen Menschen aus dem Ort mal hier ein paar Schuhe, dort ein Hemd und eine Hose , hier ein Jacke.

 

Franz hatte nicht einmal eine kleinen Fernseher in seiner, im Winter eiskalten, und im Sommer zum ersticken heißer Stallkammer.

 

Dort saß er im letzten und auch im vorletzten und vorvorletzten Jahr an Weihnachten mutterseelenallein - er gehörte ja nicht mehr dazu.

 

Der Bauer uns seine Familie sitzen in der guten Stube bei Kaminfeuer, am Weihnachtsbaum brennen die Kerzen, die lieben Kinderchen singen „oh du Fröhliche „Aus der Küche riecht es so richtig gut nach Festtagsbraten; von dem Franz vielleicht die letzten Reste ab bekommt wenn er Glük hat, und Franz, der sitzt allein in seiner Kammer, in der es jetzt noch kälter und noch finsterer ist. Die Anderen sitzen im Licht- und sie feiern Weihnachten!!!!

 

Ich habe Franz durch einen Bekannten vor ca. 1/ 2 Jahr kennen gelernt. Durch sein Leben habe ich viel gelernt für mich und über die Menschen. Franz ist traurig, er spürt was mit ihm passiert, aber er hardert nicht mit seinem Schicksal, er hasst nicht.

 

Mögen die letzten Jahre seines Lebens etwas mehr Freude und Wohlfühlen für ihn bringen - er verlangt von sich aus  nichts - ich wünsche ihm Glück, Sonne und Freude.

 

 

Nachtrag

 

2001 - in diesem Jahr ist Franz verstorben, in einem Altenpflegeheim. Dort brachte der Bauer ihn unter, als Franz nicht arbeiten mehr konnte.

 

Hier fühlte Franz sich wohl, an seinem Lebensende, er wurde geachtet, nach seiner Meinung, seinen Wünschen gefragt und er war nie alleine.