1. September bis 7. September
Dienstag, 1. September 2009
Ein heißer Septembertag steht in den Startlöchern und ich bereite mich auf meinen morgigen Termin beim Arbeitsamt vor, der mir so zu wieder ist.
Neue Passbilder brauche ich auch dringend. Als ich vor drei Jahren die Fotos für die Bewerbungsschreiben machen ließ, sah ich wesentlicher jünger und fiter aus, als heute. Wenn ich heute in den Spiegel schaue, sehr ich eine alte Frau, vor drei Jahren war das noch anders.
Eine neue FSJlerin hat in der Gruppe angefangen zu arbeiten und Martin scheint sie zu gefallen. Er lächelt sie ganz lieb an, versucht mit ihr zu flirten.
Der PDL wollte ein Gespräch mit uns führen, Martin hatte die ganze Zeit über einen Hustenanfall nach dem Anderen und musste ständig abgesaugt werden.
Da ich zu diesem Herrn keinerlei Vertrauen habe, und ich nur das Gefühl habe, dass diese Gespräche geführt werden, damit ich die Füße ruhig halte, war es mir ziemlich egal, dass ich mich meinen Sohn immer wieder zuwenden musste.
Mittwoch, 2. September 2009
Nun habe ich jede Menge Hausaufgaben vom AA und muss Bewerbungen schreiben---an eventuelle Stellen, gaaanz weit weg für mich, aber es gäbe ja sooo viele Jobs für Pflegekräfte und prompt hat die
gute Frau mir was ausgedruckt für einen anderen Ausbildungsbereich, habe ich aber erst zu Hause gemerkt. Naja, was solls. Sie hat anscheinend nicht wirklich mein Alter realisiert und dass überall für
das junge Team gesucht wird.
Ich erfülle brav mein Soll und begebe mich eigenständig auf die Suche, in der Nähe.
Heißt also, in den nächsten Wochen muss ich jede freie Minute arbeitssuchend verbringen, egal ob telefonisch, schriftlich, oder online.
Donnerstag, 3. September 2009
Nun ist es Jürgen, dem es immer mal wieder sehr schlecht geht. Auch in Verbindung mit hohem Blutdruck. Ich denke, es sind Nachwirkungen wegen Martins Supergau. Jürgen war die ganze Zeit immer stärker als ich und ich habe mich gewundert, wie er das alles so wegpackt. Nun holt es auch ihn ein.
Die Nichtverlängerung meines Arbeitsvertrages hat das Ganze nun noch getoppt. Jürgen weiß, wie weh es mir tut, dort gehen zu müssen.
Ich werde wohl ab Oktober über eine Zeitarbeitsvermittlung im Umkreis eingesetzt. Ich habe es mir abgeschminkt, dass mich hier in der Region nochmals jemand freiwillig einstellt mit 56. Auf meine drei Inserate kam außer den Rechnungen dafür , keine Antwort.
Irgendwie muss ich die Jahre bis zur Rente so noch durchstehen. Ich kann nur hoffen, dass es mir nicht wie anderen Zeitarbeitern geht, die gemoppt werden und nur die Dreckarbeiten machen dürfen. Eigentlich habe ich überhaupt keine Lust dazu, mir so etwas an tun zu müssen
Martin ging es heute nicht gut. Er hat am Abend wieder seine ganze Nahrung erbrochen. Es tut so weh, das Kerlchen so leiden zu sehen. Wie lange wird er es noch aushalten können?
Freitag, 4. September 2009
Der Grillnachmittag in der Wohngruppe war sehr nett. Martin hat oft sehr heftig geweint, weil er nichts essen und trinken darf- verständlicherweise --und Steffi hat eine Solotanzeinlage hingelegt.
Leider waren nur insgesamt von 12 Bewohnern, inklusive uns, drei Elternpaare anwesend. Dafür haben sich die Mitarbeiter so viel Mühe gegeben. Eigentlich schade.
Wir haben einen Apfelkuchen mitgebracht, den ich tatsächlich, so wie immer, nach meinem Spezialrezept, hin bekommen habe. Mein Selbstvertrauen ist immer noch sehr angeknackst, Manches traue ich mir nicht mehr zu. Das Gefühl ist so ähnlich, als wenn der passende Schlüssel im Schloss steckt, man aber die Tür trotzdem nicht aufbekommt.
Samstag, 5. September 2009
Heute Morgen stand eine tolle Stellenanzeige in der Tageszeitung, eigentlich genau das, was ich gerne machen würde. So in etwa Tagesbegleitung/Betreuung in einem Pflegeheim, nahe meiner derzeitigen Nocharbeitsstelle.
Vielleicht werden Bewerbungen mit meinem Geburtsjahr für diese Stell doch noch berücksichtigt.
In der Einrichtung in Markgröningen findet heute das große Bocciaturnier statt. Wir haben mit Martin eine Weile zugesehen, aber es nimmt ihn einfach noch zu sehr mit, so direkt zu spüren, was alles nicht mehr geht. Wir wissen nicht wirklich, was richtig ist, hingehen oder fern bleiben.
In der Gruppe haben wir Fotos vom letzten Jahr angeschaut, auch eines von Martin an Silvester, so voller Freude und Tatendrang. Er hat es lange angeschaut und dann wieder traurig geweint.
Sonntag, 6. September 2009
Und wieder eine Bewerbung eingesteckt in den Briefkasten um die Ecke, obwohl ich heute denke, hoffentlich ist bald alles vorbei.
Irgendwie mag ich nicht mehr. Nicht für den Preis, dass ich wieder Menschen verlassen muss, die ich ins Herz geschlossen habe. Ich fühle mich einfach zu alt für das ständige umgepflanzt werden.
Auf meine alten Tage möchte ich gerne ein gleichmäßiges Leben und Sicherheit für meine Lieben. Es ist so vieles in meinem Leben geschehen, auch so viele traurige Dinge. Kann es nicht endlich aufhören damit?
Martin mag es im Moment nicht sehr gerne, wenn er aus dem Bett geholt wird und in seinen Rollstuhl gesetzt wird. Heute gab es zum Abendessen Bratwurst für die Bewohner seiner Wohngruppe und wie immer musste mein armes Kind weinen.
Ob er sich je damit abfinden kann, dass sein körperlich aktives Leben vorbei ist?
Montag, 7. September 2009
Gerade, als wir mittags zur Tür rein kamen zu Hause, klingelte das Telefon. Am Donnerstag habe ich um 10 Uhr ein Vorstellungsgespräch in der Einrichtung in Bietigheim, bei der ich gestern Nachmittag eine Bewerbung eingesteckt habe, nachdem ich auf ihrer Internetseite gesehen habe, dass sie eine 50% Stelle anbieten.
Hoffe, man hat mein Geburtsjahr richtig gelesen und es ist kein Versehen. Wäre nur eine Station mit der S- Bahn und ein sechs Minuten Fußweg vom Bahnhof. Die Einrichtung gibt es seit ca. 2 Jahren, ganz neu gebaut.
Martin geht es etwas schlechter und heute hatte ich wieder so ein Gefühl, dass er nicht bleiben will. Ich weiß, dass wir nichts, aber auch gar nichts an der Situation ändern können. Es tut einfach nur weh.