15. Juli bis 10. November 2010
Donnerstag, 15. Juli 2010
Steffi ist ganz lieb mit Melli und Mitbewohner Bernd mit gefahren zu einem Kurzurlaub bei Verwandten von Bernd, in die Schweiz. Sogar die Kleidung, die ich am Abend vorher für meine Tochter raus gelegt hatte, hat sie ohne Kommentar angezogen.
Ein bisschen Abwechslung tut Steffi sicher auch gut und Melli ist ja bei ihr. Wir können unseren Kindern keinen Urlaub mehr bieten, der viel Geld kostet und mit weiten Fahrten verbunden ist.
Gestern haben Jürgen und ich Steffis Abwesenheit genutzt und Steffis Zimmer in sechs Stunden ausgemistet und aufgeräumt. Sicher wird es ihr nicht gefallen, aber so eine Chance mussten wir einfach ausnutzen. Steffi kann nichts weg werfen, was kaputt ist oder nicht gebraucht wird. Greift man nicht ab und an so hart ein, kann Steffis Bereich zu einer Messiecke werden.
Bei fast 40 Grad war es ein Kraftakt, heute bin ich platt. Steffis Zimmer sieht dafür mal wieder kurzfristig gut aus.
Martin, der uns ein paar Stunden zu geschaut hatte, fand die ganze Aktion sehr witzig, es geht Martin verhältnissmäßig gut in der letzten Zeit. Aber es gefällt ihm nicht, dass Steffi ohne ihn weg gefahren ist.
Dienstag, 20. Juli 2010 - Steffis 25. Geburtstag
Da Steffi arbeitet und nachmittags gleich zum Tanzkurs der Lebenhilfe abgeholt wird, haben wir ihre Geschenkle und die Naschis zum verteilen in der Gruppe und der Werkstatt gestern Abend schon zur Gruppe gebracht. Wir haben Steffis Geschenke in Martins Zimmer versteckt und er ist nun ein Geheimnissträger.
Aber Martin kann sehr schwer ein Geheimniss für sich behalten, weil er nämlich die ganze Zeit über ein breites Grinsen im Gesicht trägt und sich somit verrät.
Da mir am Freitag ein Zahn gezogen wurde und ich noch nicht ganz schmerzfrei bin, ist es mir auch Recht, dass erst am Samstag mit Torte und Trallala gefeiert wird. So bleibt mir noch ein Zeitpuffer zum einkaufen und backen.
Martin wird zum Himmelszelt am Abend abgeholt und so sind Alle gut versorgt, nach ihren Bedürfnissen an Steffis Geburtstag.
Donnerstag, 27. Juli 2010
Steffis Geburtstagskaffee war nett. Frau Kuhn kam mit Raffael dazu , der ja nun eindeutig Steffis Knutschi ist. Zumindest hier in Markgröningen. Raffael hatte einen tollen, leuchtenten Strauss mit Sonnenblumen für Steffi mit gebracht und die beiden jungen Leute haben sich mit Küsschen und Umarmungen begrüsst.
Am Samstag hatte Steffi beim jährlichen Boccia Turnier der Einrichtung mit gemacht und nun hat sie allen Ernstes verlangt, dass sie auch angemeldet wird für den Freizeitbereich. Gemeinsam mit Martin haben wir eine Weile zugeschaut bei dem Turnier und Martins Augen haben eigentlich die ganze Zeit über gesagt--ich will auch mit spielen. Er hatte es im Jahr vor der Hirnblutung auch probiert und war so stolz, dass er es auch ein wenig konnte und somit ein Erfolgserlebniss hatte.
Klaus will dafür Sorge tragen, dass Steffi auch regelmäßig hin geht zum Training, hat er uns versprochen . Wir finden es gut, vor allem, weil Steffi recht gut ist im Umgang mit den Kugeln. Hoffentlich bleibt sie auch dabei und es macht ihr Spass. Würde mich sehr freuen.
Martin wird im Moment wieder schwächer, sein Körper ist voll mit Ausschlagpusteln und ich muss dauernd an meinen Traum denken, in dem mein Kind verstorben war. Ich habe ihn aufgebahrt gesehen. Mein Herz ist so schwer.
Ricky freut sich auf seine neue Arbeitsstelle und ich hoffe sehr für ihn, dass er dort bis zur Rente bleiben kann und es ihm immer gut geht. Den Schichtdienst in der derzeitigen Arbeitstelle verkraftet sein Körper nicht mehr gesundheitlich, was ich gut nach voll ziehen kann.
Mein Blutdruck geht immer noch nicht runter, trotz der vielen Medis, BZ ist morgens okay mit Medis und meinem absoluten Verzicht auf Kohlehydrate. Denke mal, ich werde nie wieder normal essen können und muß mich wirklich sehr einschränken und auf passen.
Das ist das, was für uns Oldies übrig bleibt, hoher Blutdruck bei Jürgen und mir und bei mir Diabetis. Wobei Jürgens Blutdruck mit einer Kombintablette zufrieden ist, meiner halt nicht.
Sonntag, 1. August 2010 - Rickys 34. Geburtstag
Und wieder tut es mir leid, dass wir nicht einfach kurz vorbei kommen können um Ricky persönlich zu gratulieren und ihn mal kurz in den Arm zu nehmen.
Mein kleines, süßes Baby 1976. Wie schnell die Jahre vergangen sind. Ich spüre Ricky immer noch als Baby in meinem Armen, merkwürdig, nicht?.
Klar will Ricky mit seinen Freunden feiern und braucht ganz bestimmt seine Oldies nicht dabei und trotzdem fehlen mir diese paar Minuten, nicht bei ihm sein zu können.
Donnerstag, 5. August 2010
Wieder ein neues Medikament zum Senken des sehr hohen Blutdrucks bei mir. Zum Entwässern. Und mir ist schwindelig davon und die häufigen Toilettengänge nerven und machen mich richtig gehend immobil.
Dann habe ich vorgestern im Gang der Gruppe, an einer Stelle, die Werner wieder mal zugepinkelt hat, einen Sturz gedrückt. Voll auf die linke Hüfte, sehr schmerzhaft, und das Gestell meiner Brille hat nun einen verzogenen Rahmen.
Die Mitarbeiter der Gruppe bekommen es nicht immer mit, was der Kollege so anrichtet.
Ich habe die Pfütze nicht gesehen , obwohl ich weiß, dass es besser ist, hier immer auf den Boden zu schauen.
Martin geht es wie letzte Woche, Steffis Welt scheint okay zu sein.
Donnerstag, 12. August 2010
Den Kiddis geht es unverändert und mir immer schlechter. Ich muss meine Kräfte sehr gut einteilen und bin kaum noch belastbar.
Die zusätzliche Wassertablette bringt zwar den Blutdruck ganz langsam etwas runter, dafür ist mir sehr schwindelig und übel, seit ich sie nehmen muss.
Mittwoch, 8. September 2010
Inzwischen hat Martin seinen neuen, roten Rolli bekommen. Er sitzt sehr gut darin, aber für unser Miniauto ist auch dieser Rolli nicht geeignet.
Wir bekommen Martin, den Rolli halbliegend gestellt, zwar irgendwie hinein in unseren Berlingo, aber er kann so nichts sehen und das Teil wackelt wahnsinnig und ich muß auf einer Werkzeugkiste neben Martin sitzen und muss den Rollstühl stützen. So können wir nur gerade mal bis zum Supermarkt fahren oder zu uns nach Hause aber weitere Touren sind so unmöglich und viel zu gefährlich.
Ich weiß nicht, was wir noch machen können, um Geld für einen Bus zu bekommen. Vielleicht muss ich doch den Versuch wagen, mich an Stiftungen zu wenden mit der Bitte, uns hier zu helfen. Aber da Martin nicht mehr zu Hause lebt und schon erwachsen ist , wird es fast aussichtslos machen.
Dass Ricky und Maria Martin besucht haben in der Einrichtung, freut ihn noch immer, auch zwei Wochen danach. Der große Bruder ist eben doch etwas ganz Besonderes. Ich bin ja schließlich auch sehr stolz auf meinen Großen.
Frau Hochstetter und Frau Kuhn kümmern sich , tapfer und zuverlässig ,weiter liebevoll um Martin und so kommt er auch wieder, wenn auch nur zu Besuch, 1x in der Woche in die geliebte Werkstatt und zu den kirchlichen Veranstaltungen, die in der Einrichtung angeboten werden, wird Martin regelmäßig abgeholt. Es tut ihm so gut, wenigstens so wieder ein bisschen dazu gehören zu dürfen und angesprochen zu werden von Mitarbeitern der Werkstatt und ehemaligen Kollegen, die ihn leider nicht ein einziges Mal besucht haben in seiner traurigen Zeit.
Mittwoch, 10. November 2010
Inzwischen hatte ich wieder für 1 ½ Monate eine Endpflegestelle bei einem alten Herren übernehmen dürfen. Polineuropathie, Herz und Niereninsuffiziens. Er verstarb leider recht schnell und auch in dieser Familie hätte ich es länger ausgehalten. Wir haben uns gut verstanden. Auch dieser Abschied kam für mich viel zu früh.
Beim Angehörigenkaffe in der Einrichtung erfuhren wir, dass in dem Bereich, in den Steffi laut Sozialamt wegen Kostenersparniss verschoben werden sollte, zwei junge Männer leben, die nicht zu steuern und zu beeinflussen sind.
Einer wurde schon gehört, als er äußerte, sich Steffi auch mal schnappen zu wollen. Das muss ich für Steffi echt nicht haben, ganz bestimmt nicht. Sie kann sich nicht wehren und ist solchen Umgang auch nicht gewohnt. Da Steffi ein sehr vertrauensseeliger Mensch ist, wäre es ein leichtes, sie aus zu nutzen.
Gesehen hatten wir die beiden Chaoten das erste Mal beim Sommerfest und uns darüber gewundert, wieso sie so einfach den Fahrstuhl zur Werkstatt außer Betrieb setzen konnten durch Manipulationen und dass Niemand eingegriffen hat.
Der Jüngere nennt den Älteren Chef, was schon alles sagt.
Monika , eine Freundin aus der Aachener Ecke hatte uns auf einer Durchreise nach Bayern besucht, so wie es aussah, wäre ihr Hund gerne bei uns geblieben. Wäre auch kein Problem gewesen, denke ich mal. Wäre schön gewesen, wir hätten mehr Zeit für einander gehabt. Zeit ist immer noch ein fehlender Faktor und die 24 Stunden am Tag reichen einfach nicht mehr aus.
Unsere Sonderangebotspülmaschine ging nun auch zu allem Überfluss kaputt und wir mussten wieder investieren, um ein neues Gerät zu erwerben. Irgendwie will ich einfach ohne Spüma nicht mehr sein, auch wenn uns eigentlich diesen Luxus gar nicht wirklich leisten können..
Endlich schafften wir es auch, mit Steffi zum Friseur zu gehen damit sie mal wieder einen anständigen Haarschnitt bekommt. Steffi kämt sich nicht am Hinterkopf und lässt sich dort auch nicht gerne kämmen. So verfilzen ihre Haare am Hinterkopf immer recht schnell So wir Steffi wohl für den Rest ihres Lebens eine Kurzhaarfrisur tragen müssen, obwohl sie mit etwas längeren Haaren viel netter aus schauen würde.
Martin sieht mit seinen Stoppelhaarschnitt gut aus und so ist es ziemlich pflegeleicht, im alle 6 Wochen einmal mit der Maschine das Winterfell zu stutzen
Beim Hilfeplangespräch wegen Steff, dass nun auch in dieser Woche statt fand, haben wir wieder dafür gekämpft und argumentiert, damit Steffi in der Gruppe 5 bleiben kann. Bislang haben wir darüber noch keinen schriftlichen Nachweis und hoffen sehr, es muss nicht geschehen dass sie aus der Gruppe raus muss. Meine Kinder sind doch keine Schachfiguren, die man einfach so umsetzen kann.
Melanie war sehr mutig und nahm Martin mit einigen anderen Bewohner mit zu einem Besuch auf das Volksfest Cannstadter Vasen. Das Riesenrad war für Rollstuhlfahrer ausgestattet. Martin fand es toll und war glücklich mit dabei zu sein. Er hat gut durch gehalten und war stolz über zwei Autogasballons., die Melli mit ihm gekauft hatte. Ein Ballon schwebt nun über Martins Rollstuhl und ein Ballon schwebt über seinem Bett. Schade dass sich das Gas nicht so lange hält in den Ballons, die wirklich witzig aus schauen.
Martin hat wieder richtige Lebensfreude entwickelt und meist sieht man ihn mit einem frohen , strahlenden Gesicht. Ich kann es kaum glauben, dass Martin sich wieder so weit berappelt hat. Es grenzt fast an ein Wunder.
Der lange geplante Besuch bei Ricky musste ausfallen, da Ricky einen heftigen, grippalen Infekt bekam. Es gibt nicht so viele Wochenenden, die uns gemeinsam passen. Schade. Dann werden wir einen neuen Versuch im Frühling starten.
.
Ab der nächsten Woche wird Martin nun regulär in die Tagesbetreuung aufgenommen und ich denke, es tut ihm gut, wieder richtig Struktur in seinem Tagesablauf zu haben.
Seinen Geburtstag haben wir mit der Gruppe gefeiert und Martin fand es toll, auch wenn er nichts essen durfte. Es war sein Tag und dieser Tag war etwas ganz besonderes. Er hält es inzwischen auch gut aus, nur zusehen zu können bei den Mahlzeiten.
Auf jeden Fall ist Martin wieder , voller Freude, gerne mittendrin.