18. August bis 24. August 2009

 

Dienstag, 18. August 2009

 

Zu allem Überfluss hat mir meine Vorgesetzte heute mit geteilt, dass mein Arbeitsvertrag, der befristet war auf 1 ½ Jahre, nicht verlängert wird. Heißt im Klartext, dass ich ab 1.10.09 wieder arbeitslos bin.

 

Der Grund, ich sei durch meine familiären Probleme völlig überfordert und zur Zeit wollen zwei langjährige Mitarbeiter ihre Prozente der Arbeitszeit erhöhen.

 

So einfach kann sich ein Arbeitgeber heute von Leuten entledigen. Ich habe mir nichts zu Schulden kommen lassen, auch nicht, in den schlimmsten Zeiten in diesem Jahr. Nicht einen Tag habe ich wegen Martins Unglück gefehlt.

 

Kolleginnen und Bewohner mögen mich, ich kann im Moment  halt nicht sagen, wie alles weiter gehen wird mit Martin und was noch auf uns zukommen wird.

 

Eines habe ich jetzt gelernt, gib an deinem Arbeitsplatz so wenig wie möglich von dir preis.

 

Was ich von diesem Tiefschlag halten soll, weiß ich im Moment  noch nicht. Ich fühle mich sehr unwohl bei dem Gedanken, die Kolleginnen und Bewohner nach so kurzer Zeit wieder verlassen zu müssen und dass ich nun mit 56 Jahre noch weniger eine Chance auf eine andere Arbeitsstelle habe, die ich mit meinen vorhandenen gesundheitlichen Problemen genau so gut bewältigen kann, wie diese befristeten 1 1/2 Jahre.

 

Wenn wir nur nicht auf das Geld so angewiesen wären. Liebend gerne würde ich weiterhin ehrenamtliche Einsätze hier in der Gemeinde übernehmen, aber bis zum Juli 2013 bin ich auf eine Festanstellung noch angewiesen.

 

 

Mittwoch, 19. August 2009

 

Noch mehr Hitze heute und mir geht es nur noch schlecht.

 

Dafür hatte Steffi ihren Spaß in einem großen Planschbecken, das ihre Gruppenleiterin vor der Wohngruppe, auf dem Rasen gestern aufgestellt und gefüllt hat. Wie niedlich meine Tochter  aussah, das Planschbecken fast ganz ausfüllend. Früher habe ich immer gesagt, dass meine Tochter vom Sternzeichen her eine Wasserratte sein muss und nicht nur ein Krebs.

 

Martin war wieder am Weinen, ihm war es sicher auch viel zu heiß und er war froh drüber , gegen 17.30 Uhr wieder in sein Bett gebracht zu werden und liegen zu können.

 

 

Donnerstag, 20. August 2009

 

Es ist ein schlimmes Gefühl für mich, nun, mit dem Wissen  meinen befristeten Arbeitsplatz wieder verlassen  zu müssen, den Bewohnern und Kolleginnen zu begegnen. Es tut einfach weh, tief in mir.

 

Ich habe meine Vorgesetzten darum gebeten, es bitte noch niemandem zu erzählen, weil ich nicht von jedem darauf angesprochen werden möchte. Zum einen, werden mir ständig die Tränen kommen und ich möchte auch vermeiden, dass andere Menschen traurig sind, weil ich gehen muss.

 

Meiner Bitte, nun an keinen Fortbildungen mehr teil nehmen zu müssen und auch die Mitarbeiterbesprechungen, an denen die kommenden Dienstpläne, auch für den Weihnachtsdienst, besprochen werden, da es mir einfach nur weh tun würde,  wurde mir großzügig genehmigt.

 

Nun habe ich eine Wahnsinnsangst, nur noch dort, wieder auf Zeit eingestellt zu werden, wo Menschen eh nur verheizt werden, weil  freiwillig niemand mehr dort anfängt zu arbeiten, der die Einrichtungen und ihre Personalpolitik kennt.

 

Da ich Bezüge beim Arbeitsamt beantragen muss, stehe ich ja wieder unter dem Zwang, mich überall bewerben zu müssen, ich habe ja leider keine Wahl mehr in meinem Seniorenalter.

 

Eine meiner Kolleginnen scheint etwas zu ahnen, sie sagt mir immer wieder, dass ich bloß nicht gehen soll, bloß nicht kündigen soll sie würde dafür gerne ein paar Prozent ihrer Stelle abgeben, damit meine Stelle bestehen bleibt.

 

Ich will, dass die Kollegin  erst in Ruhe ihren Urlaub antritt, der mit weiten Autofahrten verbunden ist, danach wird  sie es sowieso erfahren, und genauso wenig daran ändern können, wie ich.

 

Da ich den ganzen September über noch auf dem Dienstplan stehe, habe ich die Zeit, mich intern in mir,  mit guten Wünschen von den Menschen, die mir so sehr ans Herz gewachsen sind, zu verabschieden, obwohl ich mir im Moment absolut nicht vorstellen kann, ohne diese Menschen zu leben.

 

Ich will doch niemandem weh tun müssen und Abschied nehmen tut doch immer irgendwie  weh. Die Menschen vertrauen mir und auch wenn es nicht freiwillig ist, habe ich das Gefühl, sie im Stich zu lassen.

 

20.00 Uhr

 

Wenigstens hat Martin heute nicht ganz so viel geweint, wie an anderen Tagen. Das habe ich dann auch reichlich übernommen, aber nur, wenn es niemand  gesehen hat.

 

Den heißesten Tag des Jahres haben wir hoffentlich hinter uns, es ist nicht mehr aus zu halten. Am liebsten würde ich nun Urlaub in Alaska machen.

 

 

Freitag, 21. August 2009

 

Es ist so grausam für Martin, wenn alle anderen lecker essen.

 

Jürgen war heute Abend bei Martin und musste ihn trösten, es gab wieder Würstchen zum Abendbrot in der Gruppe. Aber wie immer nicht für Martin, obwohl er Würstchen immer so geliebt hat, der arme Junge..

 

 

Samstag, 22. August 2009

 

Geteilter Dienst heute und morgen, der mir nun sehr schwer fällt, weil ich nur noch einen Monat und ein paar Tage vor mir habe, in diesem Haus.

 

Jürgen fährt mit Steffi zum Einkaufen und bleibt dann ein paar Stündchen bei Martin in der Einrichtung, ihm die Zeit vertreiben.

 

Damit Steffi den Weg in Martins Zimmer finden muss, hat Jürgen das für Martin gekaufte Autole in Steffis Tüte gepackt.

 

Wie traurig, dass wir unsere Tochter austricksen müssen, damit Martin sie überhaupt noch zu sehen bekommt im Moment. Dabei hatten die Beiden doch immer ein so gutes Verhältnis zueinander, als es Martin noch gut ging.

 

Steffi kommt nicht mehr freiwillig in Martins Zimmer, begrüßt ihren Bruder auch öfters  nicht, wenn sie von der Arbeit kommt.

 

Was hat sich doch alles verändert für uns, ganz besonders traurig  für Martin.

 

 

Sonntag, 23. August 2009

 

Schon wieder über die Maßen heiß. Nimmt das gar kein Ende in diesem Jahr. Ich bin froh, wenn der Tag vorbei ist und bete, dass es endlich, endlich wieder kühler wird.

 

Jürgen hat einen schlecht gelaunten Martin angetroffen am Abend. Schlecht gelaunt, weil er auf seine linke Seite gelagert wurde, die einst sein intakte Körperseite war. Schon immer hat der Junge es gehasst, wenn er links gelagert wurde. Verständlich, als er sich noch bewegen konnte . Wer will schon gerne ausgeschaltet werden?

 

Er kann es nicht verstehen, dass er zur Zeit ein guter Kandidat für Dekubitus ist und sehr darauf geachtet werden muss, welche Körperseite entlastet werden muss.

 

 

Montag, 24. August 2009

 

Drei Tage habe ich Martin und Steffi  nun nicht besuchen können. Ich freue mich auf heute Nachmittag und auf meine Mäuse.

 

Seit Martins schwerer Krankheit, vermisse ich ihn noch mehr, so, als wolle ich alles Lebendige von ihm, das noch da ist,  in mich aufsaugen. Die verminderte Lebenserwartung meines Kindes macht mir Angst. Ich kann mir das Leben ohne meine Lieben einfach nicht vorstellen und will es auch gar nicht.

 

So langsam nehme ich intern für mich Abschied von meiner Arbeitsstelle.

 

Ich höre den Bewohner besser zu, ein paar letzte Male noch. Dann werden sie mich sicher schnell vergessen haben.

 

Um Niemandem weh zu tun, werde ich mich nicht bei jedem Bewohner  verabschieden. Mir tut es leid, um die vertrauensvollen Beziehungen, die sich in den 1 ½ Jahren entwickelt haben.

 

Da passiert schon wieder etwas, das ich gar nicht will. Ich will ja gar nicht gehen, die paar  Jahre bis zur Rente hätte ich gerne in diesem Haus verbracht.

 

20.00 Uhr

 

Als ich Martin heute sah, hatte ich das Gefühl, dass er minimal zugenommen hat. Sein Gesicht wirkte auf mich nicht mehr ganz so dünn und eingefallen.

 

Allerdings lag seine Körpertemperatur wieder bei  37.6 heute Abend. Ich will mal hoffen, dass es nur von der abartigen Hitze kommt.