22. Juli bis 28. Juli 2009
Mittwoch, 22. Juli 2009
Schon wieder kamen Träume, die mir Angst machen.
Dieses Mal habe ich geträumt, dass Martin keinen Rollstuhl mehr benötigt, aber in diesem Traum ist er eine Mauer hinunter gefallen , von einer Dachterrasse , auf ein abschüssiges Dachstück davor, und Jürgen und ich konnten ihn gerade an Beinchen und Hose wieder herauf ziehen.
Wenn ich nur wüsste, was diese Träume mir sagen wollen. Sie machen mir solche Angst.
Nun habe ich den ganzen Tag ein schlechtes Gewissen, erst am Nachmittag wieder zu Martin zu gehen und ich habe Angst, dass er unter dem Alleinsein leiden muss. Mit der Tagesbetreuung klappt es anscheinend nicht so ganz aus zeitlichen Gründen, da Martin auch KG hat und die wenigen MitarbeiterInnen der Gruppe auch noch 11 andere Bewohner zu versorgen haben.
Er muss sich wieder daran gewöhnen, die Wochentage weitgehend ohne uns zu verbringen und dass wir erst am Abend zu ihm kommen. Aber dafür ist Martin diese Zeit dann auch sicher, solange er uns braucht.
20.00 Uhr
Wieder war Martin am Weinen als wir kamen, aber dieses Mal war es wohl die volle Windel, die ihn gestört hatte. Wir müssen lernen, aus der Qualität seines Weinens, lesen zu lernen, was Martin damit sagen will.
Als er dann rundversorgt wieder in seinem Bett lag, fielen ihm fast die Augen zu.
Es ist megaheiß heute und Martins Temperatur war am Mittag wohl 37,2. Jedes Grad mehr lässt Übles vermuten, was wir nicht hoffen wollen. Aber nach den gemachten Erfahrungen im KKH sehen wir Vieles mit anderen Augen und sind vorsichtig geworden.
Die Pastorin hat Martin auch einen Besuch abgestattet und er hat sich sehr gefreut, wie mir Siggi berichtete. So hoffe ich, dass noch viele Besuche folgen und Martin kann spüren, dass er nicht von allen Menschen, die ihn kennen, vergessen wird.
Einige Leute kommen kurz in die Gruppe, auf Martin zu, grüßen ihn und verschwinden mit den Worten, dass sie mal wieder vorbei schauen.
Dabei wäre es für Martin schön, wenn jeder Besucher sich ein paar Minuten zu ihm setzen würde und wenigstens seine Hand halten würde und ihm etwas aus dem Leben erzählen würde.
Wenn Martin schon nicht mehr zum Leben kommen kann, sollte das Leben zu ihm kommen können.
An diesen heißen Tagen ist es auch so gut wie nicht möglich, mit Martin auf dem Gelände spazieren zu gehen. Wir müssen behutsam sein mit dem immer noch sehr erschöpften, jungen Mann.
Siggi habe ich gebeten, den Doc nächste Woche zu fragen, ob er Martin nicht zusätzlich homöopathische Medikamente verordnen kann, die ihm helfen und die wir dann selber zahlen. Vielleicht ist es ja so möglich, das Immunsystem Martins wieder auf zu bauen und ihn kräftiger werden zu lassen.
Auf Ricky freut sich der kleine Bruder sehr, er lächelt immer so lieb, wenn ich von Ricky erzähle. Martin war immer stolz darauf, einen großen Bruder zu haben. Auf Ricky können wir Alle sehr stolz sein.
Steffi hat nächste Woche Urlaub, den sie nicht haben will. Sie will arbeiten gehen ließ sie mich energisch wissen.
Auf meine Bitte, sich dann in dieser Woche doch ein wenig zu Martin zu setzen, kam ein Kopfschütteln. Immer noch nicht kommt unsere Maus mit der veränderten Situation ihres Bruders klar. Obwohl, so zwischendrin geht sie schon mal zu Martin und streichelt seinen Kopf und seine Hände.
Martin kann sie nur anschauen und nicht wie gewohnt laut lachen und das einst, so geliebte, Hasispiel mit seiner Schwester spielen.
Hasi spielen ist ein selbst erfundenes Spiel der beiden Geschwister. Ein Stoffhase wurde immer hin und her geworfen, hoch und tief, weit und nah und mit diesem Spiel konnten sich die Beiden stundenlang beschäftigen.
Neue Hasen haben wir immer auf dem Flohmarkt erworben, da so ein armer Stoffhase diese Belastungen nicht so sehr lange aushält.
Aber nun kann Martin nicht mehr mithalten, auch wenn es so gerne würde.
Eigentlich sollte Steffis Geburtstag am Samstag mit der Gruppe gefeiert werden mit Kaffee und Kuchen, aber die Bewohner haben sich Eis gewünscht. Auch gut so, spart mir eine Menge Arbeit am Freitag.
Donnerstag, 23. Juli 2009
Nun hätte ich gerne noch weitere drei Wochen Urlaub. Ich fühle mich einfach nicht fit genug, in einer Woche schon wieder voll ein zu steigen mit meinen Dienstzeiten. Aber es hilft mir nicht, ich muss mich durchbeißen und hoffe, dass die große Hitze sich bis dahin wieder erledigt hat, und hoffentlich gibt es nicht so viele Wespen.
Heute freue ich mich auf Ricky, den wir viel zu selten sehen.
20.00 Uhr
Wie schnell doch ein Tag vergeht. Nun ist Ricky schon wieder auf dem Heimweg. Als wir gegen 14 Uhr zu Martin gefahren sind, begann ein Gewitter mit allerheftigstem Regen.
Martin hatte gerade KG hinter sich und Melli machte Mundpflege bei ihm, als wir ankamen.
Martin hat sich sehr über den Besuch seines großen Bruders gefreut, war aber wieder sehr weinerlich. Ich vermute, die Luft in seinem Verdauungssystem schmerzt ihn. Sein Bäuchlein ist immer irgendwie aufgedunsen.
Freitag, 24. Juli 2009
Für Martin muss das Leben schrecklich sein mit diesen gravierenden, Alles total einschränkenden Handicaps. Würde ich es so ertragen müssen, ich wäre schon durch gedreht.
Als wir am Nachmittag bei ihm ankamen, lag er, stark hustend, in seinem Bett. Der Schleim der aus seiner Lunge hoch kam bei Husten, war so heftig, dass er in der Zeit, in der wir da waren, 6x abgesaugt werden musste. Das ist sehr viel.
Ansonsten war unser Bärchen zufrieden und hat sich mit Papa irgendein Autorennen im TV angeschaut. Nachdem Jürgen, dem es heute nicht so gut ging, nach Hause gefahren war, saß ich noch ca. 90 Minuten neben Martin und habe seine Hände gehalten. Er hat mich dabei oft angelächelt.
Schon traurig, viele Bewohner und Mitarbeiter saßen auf der Terrasse vor dem Tagesraum und Martin muss im Bett liegen, weil er noch nicht fit genug ist, so lange in der Sonne zu stehen mit seinem Rollstuhl . Es war wieder unangenehm heiß heute Nachmittag für uns Westeuropäer.
Die Wandhalterung für den neuen Fernseher kam auch heute mit der Post an und ich hoffe, dass der Haustechniker (wir dürfen nicht selber bohren in den Räumen der Einrichtung) das kompliziert ausschauende Konstrukt und den Fernseher in der nächsten Woche sicher an die Wand bringt.
Dann fiel mir sieden heiß ein, dass ich heute Abend ja noch einen Einsatz, bei dem alten Herrn habe, den ich schon so lange besuche. Ich hatte noch zu Jürgen gesagt, dass ich zu Fuß nach Hause komme, er kann ruhig mit dem Auto zurück fahren, hatte aber gedacht, ich muss erst gegen 19 Uhr los laufen, wenn es etwas abgekühlt hat, was ja gar nicht wirklich zu traf.
Ich werde es sicher nie wieder machen, bei solchen Temperaturen im Eilschritt zu laufen.
Martin sah mich ganz entsetzt an, als ich plötzlich aufsprang und ihm erzählte, dass ich da Was vergessen habe und schnell nach Hause marschieren muss. Ich habe es ihm genau erklärt, weil ich mich umgehend auf den Weg machen musste.
Irgendwie tut es mir immer wieder leid, Martin alleine lassen zu müssen. Wenn es nur genügend Menschen gäbe, die gerne zu ihm kommen.
Samstag, 25. Juli 2009
Wieder ein Samstag fast vorbei. Wieder sechs Stunden mit Martin verbracht, der uns schon weinend, im Rollstuhl sitzend, im Tagesraum erwartete.
Er fühlt sich geparkt und die meisten Menschen gehen, ohne ihn an zu sprechen oder wahr zu nehmen, einfach an ihm vorbei.
Dann mag er nicht so lange im Rollstuhl sitzen, weil es teilweise noch zu anstrengend für ihn ist, im Bett will er aber auch nicht dauernd liegen und es ist schwer, die passenden Mitte zu finden und dann noch mit den möglichen Zeiten des Personals auf einen Nenner zu bringen.
Der Husten wird nicht besser, das Absaugen muss immer noch sehr häufig sein und wir brauchen auch für die Zukunft ein mobiles Absauggerät.
Heute konnten wir nicht einmal 10 Minuten mit Martin vor die Tür gehen, dann war schon wieder Absaugen nötig.
Steffis Geburtstagseis mit Sahne wurde jedenfalls den Leuten gerne angenommen und auch da musste Martin wieder weinen, weil es noch nicht essen kann. Es ist einfach nur grausam im Moment für ihn.
Morgen Mittag hat Steffi mit ihrer Tanzgruppe von der Lebenshilfe einen Auftritt bei einer Veranstaltung auf dem Ludwigsburger Marktplatz. Eine WfB feiert 40 jähriges Jubiläum. Jürgen wird mit Steffi hin fahren und hätten wir ein größeres Auto und ein Absauggerät, würden wir sogar versuchen, Martin mit zu nehmen.
Ohne geht es leider nicht und so werden Martin und ich diese Stunden miteinander verbringen. Vielleicht geht es ihm morgen besser, mit dem Husten und wir können länger draußen bleiben.
Sonntag, 26. Juli 2009
Irgendwie fehlt uns die Gemeinsamkeit. Wir müssen uns weiter aufteilen. Martin ist traurig, weil er spürt, dass er an den gewohnten Unternehmungen nicht mehr Teil nehmen kann.
Dieser Graben zwischen uns. Auf der einen Seite ein todkrankes Kind und auf der anderen Seite das blühende Leben und wir stehen genau dazwischen, möchten lieber so oft es geht an Martins Seite sein, ihm nicht das Gefühl geben, alleine sein zu müssen.
Wir wissen nicht mehr, wie wir Alles gut und richtig machen können, jedem Kind gerecht werden.
Die Veranstaltung, zu der Steffi getanzt hat mit ihrem Partner Thomas muss sehr schön gewesen sein. Auf den Fotos, die Jürgen gemacht hat, strahlt sie vor Glück.
Wie gerne hätten wir Alle daran Teil genommen und den Tag dort verbracht. Es waren sehr viele Menschen dabei, die wir kennen und Martin hätte auch seine Freude gehabt.
Auf alle Fälle hatte Steffi dann doch noch einen Besuch bei MCD, bevor Jürgen und sie zur Einrichtung zurückkamen.
Martin ging es nicht gut, er war wieder stundenlang am Weinen. Er hatte auch wieder sehr viel Luft im Bauch und musste etwas erbrechen, als die 250ml Nahrung durch gelaufen waren.
Wenn es nur wirkliche Hilfe für ihn gäbe.
Montag, 27. Juli 2009
Da wir heute um 16 Uhr einen Termin mit der Heimleitung haben, wollen wir versuchen, mit einem Schreiben die Aufmerksamkeit für Martins Situation zu erhöhen.
Künftige Betreuung von Martin Betzel
Sehr geehrte Damen und Herren,
wie Ihnen bekannt sein dürfte, befand sich Martin in der Zeit vom 29.04.2009 bis zum 06.07.2009 im Klinikum Ludwigsburg. Vermutlich aufgrund einer Infektion, die zu der Einweisung ins Krankenhaus geführt hat, hat er seinen „Medikamentenspiegel“ verloren, so dass er einen großen Krampfanfall bekommen hatte, der nur durch eine tiefe Narkose unterbrochen werden konnte. Erst ca. vier Wochen später, nachdem ein neuer „Medikamentenspiegel“ aufgebaut werden konnte, wurde die Narkose beendet.
Neben dem Krampfanfall hat Martin noch eine Hirnblutung in dem Hirnareal gehabt, das für die Bewegungssteuerung der linken Körperhälfte zuständig ist. Dies hat zunächst einmal zur Folge, dass Martin zusammen mit der von Geburt an vorhandenen Behinderung nunmehr mit Ausnahme von Gesichtsmimik vollständig bewegungsunfähig ist.
Zusätzlich zu diesen gravierenden gesundheitliche Beeinträchtigungen hat er sich noch mehrere Lungenentzündungen zugezogen, die den Krankenhausaufenthalt um einige Wochen verlängert haben. Nachdem er dort im Wesentlichen austherapiert war, ohne dass ein wirklich stabiler Zustand hergestellt werden konnte, wurde er auch mit der therapeutischen Absicht aus der Klinik entlassen, dass sein gewohntes Umfeld eine positive Auswirkung auf den weiteren Genesungsverlauf haben könnte.
Jedenfalls hat die Rückkehr in das Behindertenheim bei Martin zu einer großen Erleichterung geführt und auch der Umstand, neben der gewohnten Umgebung, den Kontakt zu seiner Schwester und seinem Freundeskreis Besuch von weiteren Bekannten zu erhalten, bringt positive Momente in seine derzeitige, extrem schwierige Lebenssituation.
Damit hat sich die für Martin jetzt notwendige pflegerische Betreuung erheblich verändert. Unabhängig von den noch zu verordnenden Rehabilitationsmaßnahmen hat das pflegerische Personal im Vergleich zu der Situation, die bei seinem Einzug in die Einrichtung bestand, weitere Aufgaben zu übernehmen.
Da Martin regelmäßig abgesaugt werden muss und er sich wegen seiner Bewegungsunfähigkeit bei Problemen nicht selber bemerkbar machen kann, ist eine ständige Aufsicht und Kontrolle unerlässlich. Das Umsetzen von Martin vom Bett in den Rollstuhl und umgekehrt ist aufgrund seiner fehlenden Muskelkontrolle nur noch mit zwei Personen möglich. Nahrung und Flüssigkeit kann nicht einfach durch Anschluss an eine PEG gegeben werden. Bei zu schneller Nahrungszufuhr und zu großer Nahrungsmenge erbricht sich Martin, was in seiner derzeitigen Situation sehr problematisch ist.
Weiterhin ist eine gesteigerte Pflege notwendig, da er auf die Antibiotika teilweise allergisch reagiert und sich auf den Hautausschlag der sich über den gesamten Rücken, Po und Genitalbereich erstreckt ein Pilz gelegt hat. Deshalb ist eine häufigere Windelkontrolle und entsprechendes Windelwechseln erforderlich, da ein längeres Sitzen oder Liegen in den Ausscheidungen die ohnehin angegriffene Haut im Genitalbereich weiter schädigt.
Neben diesen rein pflegerischen Tätigkeiten sind Übungen zur Steigerung seiner Aktivität neben den kurzen Übungseinheiten durch Krankengymnastik, Ergotherapie und Logopädie notwendig. Das wäre ebenfalls vom Personal der Einrichtung im Rahmen der aktivierenden Pflege zu leisten (§ 11 Abs. 1 Nr. 2 HeimG). So führt z. B. der Umstand, dass Martin über eine PEG ernährt wird, nicht dazu, dass er im Bereich der Nahrungsaufnahme einen geringeren Pflegeaufwand benötigt. Im Gegenteil ist hier auch das Pflegepersonal gefordert, die selbständige Nahrungsaufnahme im Wege des Esstrainings zu fördern unter Anleitung der notwendigen Übungen durch die Logopädin.
Insgesamt hat sich natürlich auch der Tagesablauf, den Martin bisher in der Einrichtung hatte, wesentlich verändert, weil er jetzt nicht mehr im Werkstattbereich mitarbeiten kann. Hier sind zusätzliche Hilfen bei der persönlichen Lebensführung erforderlich, da es sicherlich nicht ausreicht, wenn er zwar aus seinem Bett geholt wird, er aber den Tag ohne besondere Ansprache vor dem Fernseher verbringt. Martin ist sich seiner neuen hilflosen Situation sehr bewusst und er bemerkt selbstverständlich auch, dass der von früher gewohnte Umgang mit anderen Menschen sich sehr verändert hat und die übliche und bekannte Kommunikationsform nicht mehr möglich ist. Insgesamt sind hier Hilfen zur Vermeidung von Einsamkeit, Apathie und damit verbunden möglichen Depressionen notwendig.
Nachdem Martin jetzt seit ca. drei Wochen wieder in der Einrichtung zurück ist und wir miterleben, wie sich der Tagesablauf gestaltet, haben wir leider das Gefühl, dass die Mitarbeiter der Wohngruppe lediglich eine weitere, zusätzliche Belastung bewältigen müssen, ohne dass eine Entlastung in Aussicht steht. Ebenso scheint uns noch keine Planung zu bestehen, wie die weitere sinnvolle Tagesgestaltung für Martin in der Einrichtung, die sein Zuhause sein soll, aussehen könnte.
Vor diesem Hintergrund und aus Sorge um Martins Wohlergehen haben wir diese Zeilen verfasst und hoffen auf eine verlässliche Pflegeplanung und Durchführung, die der Situation von Martin gerecht wird.
Mit freundlichen Grüßen
Das Hauptthema bei diesem Gespräch wird hoffentlich nicht schon Steffis geplanter Umzug in einen anderen Heimbereich sein, den wir für Steffi absolut nicht wollen. Wir wissen im Moment eh nicht, welche Baustelle wir zuerst bearbeiten sollen.
Ganz deutlich wird in beiden Fällen, nur mit Geld und Wohlstand könnten wir für beide Kinder ein besseres Leben ermöglichen. Mit diesem Problem sind wir nicht alleine, das wissen wir.
20.00 Uhr
Insofern was Steffi betrifft, haben wir wohl noch ein paar Tage Schonfrist, es ging in diesem Gespräch tatsächlich ausschließlich um Martin.
Steffi wird dann wohl im September das Thema werden, sowie uns der Mitarbeiter des Sozialamtes im letzten Jahr, beim Hilfeplangespräch schon mitteilte.
Für Martin soll eine Pflegeplanung erarbeitet werden, die auch Raum für Martins individuelle Betreuung beinhaltet. Ich bin gespannt ob es wirklich funktionieren kann mit den wenigen Mitarbeitern. Ich habe klar zum Ausdruck gebracht, dass ich dieses Gefühl, dass mein Kind nur geparkt wird, nicht mehr haben will.
Festgelegt haben wir, dass keine kardiologische Reanimation erfolgen soll. Wenn Martins Herz und seine Vitalwerte ausfallen, soll er in Frieden gehen dürfen, auch wenn es uns noch so weh tut und er uns immer fehlen wird. Ich will es meinem Kind einfach nicht antun, noch mehr und noch weiter leiden zu müssen.
Auch Bestattung und Trauerfeier waren ein Thema und ich habe das traurige Bauchgefühl, dass wir wahrscheinlich nicht mehr so weit davon entfernt sind.
Ab und an bekommen wir Martin noch zum Lachen und es ist so wohltuend zu sehen, dass er sich trotz Allem ab und an über ein paar lustige Musikstücke und einfach ein bisschen Blödsinn machen freuen kann und er uns zeigt, wie froh er ist, wenn wir zu ihm kommen.
Dienstag, 28. Juli 2009
Solche Gespräche zu Reanimation und was kommt danach sind üblich und ich verstehe es auch. Um Martin nicht weiteren Qualen aus zu setzen, mussten wir diese Dinge festlegen, auch
wenn es, wie auch schon im KKH, sehr schmerzlich für uns war.
Die Einrichtung muss sich absichern, das ist auch okay so.
Es ist mir auch ein schrecklicher Gedanke, wenn ich verstorben wäre, dass mich Jemand mit Gewalt wieder zurück holt ins Leben. Es wäre sicher nur ein kurzfristiges Aufschieben.
Trotzdem, wenn es sich um Menschen handelt, die man so sehr liebt, fühlt es sich an, als ob Jemand am eigenen Leben schabt.
Da wir nur Martins Pflegeeltern und Betreuer sind, haben wir mit dem Zeitpunkt seines Versterbens keine Rechte mehr.
Da das Sozialamt für Martin zuständig ist, ist es auch nur ein bestimmtes Bestattungsinstitut, dass wir beauftragen dürfen. Gleichzeitig muss das Sozialamt informiert werden, von dort muss sich ein Mitarbeiter mit der leiblichen Mutter in Verbindung setzen, da sie, auch wenn sie nie nach ihrem Kind gefragt hat, nach seinem Ableben das Recht hat zu entscheiden, was mit Martins Leichnam geschehen soll.
Ich denke zwar nicht, dass sie das Geld für eine Überführung und Bestattung hat, aber so ist der rechtliche Weg.
Wenn Martins leibliche Mutter Kontakt zu Martin gewollt hätte, wir hätten damit kein Problem gehabt. Sie hat immer gewusst, wo ihr Sohn lebt. Eine Abschrift der Hilfeplangespräche wurde Ihr behördlicherseits immer übersandt.
Vielleicht kann sie sich irgendwann noch öffnen und Martin annehmen.
Martins erste Pflegeeltern, die uns Martin im Alter von 17 Monaten übergeben haben, haben sich immer an Weihnachten und zu Martins Geburtstag gemeldet und ihm ein Päckchen geschickt.
Aber noch lebt Martin und auch wenn, es ihm immer noch nicht besser geht, wir haben die Hoffnung noch nicht auf gegeben, dass er doch noch einen Kraftschub bekommt und seinen ursprünglichen Lebenswillen und seine Lebensfreude zurückbekommt.