29. April bis 13. Mai 2010

 

Donnerstag, 29. April 2010

 

Eine irre Hitze war das heute und dabei ist noch nicht mal Sommer. Nur schon alleine die Heimfahrt mit Bus und S-Bahn hat mich total erledigt.

 

Dafür hatte Martin zumindest am Anfang unseres Besuches gute Laune. Leider ist es wohl  kein Dauerzustand mehr für ihn, sich rundum wohl fühlen zu können.

 

 

Freitag, 30. April 2010 - Tag der Maifeiern

 

Melli hat Dienst und Martin ist happy. Ein wohltuender Zustand. Melli hat oft noch ein bisschen Kraft Stimmung zu machen und gute Laune zu verbreiten.

 

 

Samstag, 1.Mai 2010 - Jahrestag der Hirnblutung

 

Martin ging es relativ gut, in mir sitzt immer noch ganz tief die Angst und der Schock vom 1.Mai 2009. Traurig haben wir angefangen, Dinge aus Martins Zimmer, die er nicht mehr benutzen kann, weil er sie selber nicht mehr bewegen und bearbeten kann, in unseren Keller zu räumen, um sie dann irgendwann so und nach weiter zu geben. Somit konnten wir  auch etwas Ballast aus dem viel zu kleinen Raum  nehmen. Martins geliebtes Sammelgut , Hunderte von Autoles und seine Legos. Wie gerne hat er immer damit rum hantiert, auch wenn er inzwischen erwachsen war,  mein armer Mausebär.

 

Ein ganzes Jahr ohne Bewegung, ohne orale Nahrung, nur ab und an ein wenig Wassereis und Götterspeise auf die Zunge , damit Martin nicht ganz vergisst, was es bedeutet, schmecken zu können. Aber, dafür kann Martin inzwischen  wieder mehr mit seiner Zunge machen. Noch lange nicht das volle Programm wie früher, aber er kann seine Zunge etwas bewegen. Wir versuchen ihn zu animieren, uns die Zunge raus zu strecken, so wie er es früher immer gerne gemacht, wenn er uns foppen wollte.

 

Hier im Ort wurden wieder heftig Maistreiche gemacht. Eine Nachbarin war schon am Morgen auf der Suche nach ihrem Hoftor. Irgendwie finde ich diese Maistreiche nicht sehr witzig, da sie doch sehr oft pure Sachbeschädigung sind oder sogar Diebstahl. Solche Aktionen kenne ich auch nicht aus Hessen oder Schleswig-Holstein. Naja, die Schwaben sind schon irgendwie ein besonderes Völkchen für sich. Ich kann jedefalls nicht Alle und Alles verstehen was hier so abgeht.

 

Heute Abend, um 18.43 Uhr ist meine alte Dame verstorben. Sie hat noch gewartet, bis die Mitarbeiterin des PD und wir bei ihr waren, nachdem ihre Tochter anrief und mitteilte, dass ihre Mutti nun im Sterben liegt. Sicherlich hat sie sich das Timing so ausgesucht, damit ihre Tochter nicht ganz alleine ist  wenn sie endgültig gehen muss.

 

Für die alte Frau war es ein langes Leiden und hier ist der Tod ist eine Erlösung. Für die Tochter ist es ein schwerer Abschied.

 

Auch für mich geht es wieder von neuem los. Arbeitslos und arbeitssuchend melden, versuchen, wieder eine neue, private Pflegestelle zu finden, bis zum 1.7.2013 noch, bis zur Rente, die ich schon seit Jahren brauchen würde. Manchmal fühle ich mich so schwach, so, als ob auch mein Leben früh zu Ende gehen wird. Meine Mutter verstarb mit 58 Jahren und sie war viele Jahre krank. Mein Vater war 76 Jahre alt, als er verstarb. Wäre also nur logisch, wenn auch meine Jahre gezählt sind.

 

 

Sonntag, 2. Mai 2010

 

Martin geht es wieder nicht so gut. Husten, absaugen, Schleimbildung mit Erbrechen, alles ist wieder dabei.

 

Am Nachmittag kam noch ein anhaltender Schluckauf dazu. Ich will nicht darüber nachdenken, was dies wieder bedeuten kann. Auf jeden Fall sicher nichts Gutes.

 

Mein armes Kind. Schon ein ganzes Jahr lang diese Qualen.

 

Melanie hatte alleine Dienst. Sie hat Martin mit seinem Bett in den Tagesraum gebracht, damit sie ihn so oft wie möglich  im Auge hat. Zeit, ständig in sein Zimmer zu schauen, hat sie nicht. Wenn sie alleine Dienst machen muss, sowieso nicht.

 

Martin war froh, nicht in den Rollstuhl transferiert zu werden, so elend und kraftlos, wie er sich fühlt.

 

 

Montag, 3. Mai 2010

 

Erst mal per Email habe ich meiner Sachbearbeiterin beim Arbeitsamt Mitteilung gemacht, dass ich ab 1.6.10 wieder auf ihrer Liste stehe.

 

Nachmittags, als ich wieder zu Hause war und Emails abgerufen habe, hatte ich vom AA die Aufforderung umgehend heute zum AA zu kommen, persönlich, um mich arbeitslos zu melden.

 

Ging nicht, dort wird heute schon um 12.30Uhr geschlossen und fliegen kann ich leider nicht, würde es aber sehr können. Also dann morgen früh gleich, so hatte ich wenigstens auch noch ein wenig Zeit, die nötigen Unterlagen zusammen zu stellen. Es nervt, immer wieder aufs Neue und immer den gleichen, ätzenden Papierkrieg.

 

Es ist traurig und merkwürdig die Wohnung, in der ich nun 8 Monate lang 3x pro Woche eine alte Frau begleitet und gepflegt habe, zu betreten und sie ist nicht mehr da. In mir ist auch Trauer und ich muss mich von der alten Frau verabschieden in Kopf und Herz.

 

Glücklicher Weise, wirkt ihre Tochter ziemlich aufgeräumt und ich hoffe sehr, dass sie nicht in ein Loch fällt. Es war doch eine sehr innige Bindung zwischen Mutter und Kind.

 

Heute haben wir die Medis und Inkontinenzartikel gerichtet, teilweise zum weg werfen, teilweisefür den PD zum weiter geben. Es hat auch ein paar Stündchen gedauert, bis wir damit durch waren. Wir konnten uns gut unterhalten und haben beschlossen, dass wir beide nicht den Kontakt zueinander verlieren wollen. Es wäre auch schade, wir haben uns sehr gut verstanden und es ist ein richtiges Vertrauensverhältniss entstanden in diesem 8 Monaten.

 

Am Donnerstag ist um 13.15 Uhr die Trauerfeier, Montag werden die Hilfsmittel von der Kasse abgeholt und nächsten Dienstag wird groß aufgeräumt und sauber gemacht. Die Tochter kann ihre kleine Wohnung wieder für sich übenehmen nach  einer doch recht langen Pflegezeit.

 

Martin ging es wieder besser, obwohl alles danach aussieht, dass sein Bronchien wieder befallen sind von irgendwelchen Mistviechern..

 

 

Dienstag, 4. Mai 2010

 

Besuch beim AA, wieder arbeitslos melden. Ich würde am liebsten nur im Garten werkeln und meine Ruhe haben an diesem Vormittag.

 

Für die 8 Monate, die ich nun gearbeitet habe, gibt es keine neuen Ansprüche auf ALG, immer nur, nach abgeleisteten 12 vollen Monaten. Was mich bei den weiteren Terminen beim AA erwartet, weiß ich nicht. Heute habe ich drei Inserate aufgegeben, mit Telefonnummer, in der Hoffnung, dass wenigstens ein seriöser Anruf dabei heraus kommt. Eine Arbeitstelle , die ich noch gut ausfüllen  kann, für die letzten drei Jahre, bis zur Rente.

 

Martin war wieder nur am Weinen. Es ist und bleibt ein Trauerspiel, für uns Alle.

 

 

Mittwoch, 5. Mai 2010

 

Frau Hochstetter war mit Martin, auch bei der Eiseskälte dieses Tages, ein wenig vor der Tür.

 

Trotzdem begann Martin recht bald wieder zu weinen. Ich werde das Gefühl nicht mehr los, dass wir Martin gar nicht mehr helfen können in seiner Verzweiflung.

 

 

Donnerstag, 6. Mai 2010 - Trauerfeier von der alten Dame

 

Ich kann nicht sagen, dass es mir gut geht. Schon wieder fühle ich mich entwurzelt.

 

Wie oft noch in meinem Leben muss ich mit diesem kalten Gefühl leben?

 

Martin war wieder nur am Weinen und es hat den ganzen Tag in Strömen gegossen. Auch ich hätte nur weinen können, ohne Unterlass.

 

Es war ein sehr trauriger, belastender  Tag.

 

 

Freitag, 7. Mai 2010

 

Melanie hat wieder Dienst und Martin hat schlagartig gute Laune. Schade, dass nicht jeder Mitarbeiter ihn spüren lassen kann, dass er verstanden und gemocht wird.

 

Jaja ich weiß, ich habe zu hohe Erwartungen an andere Menschen.

 

 

Samstag, 8. Mai 2010

 

Heute war Martin so müde und sogar, als er am Nachmittag wieder in seinem Rollstuhl saß, übermannte ihn der Schlaf bald wieder.

 

Wenn ich ihn so sehe, denke ich oft, irgendwann in gar nicht allzu langer Zeit, wird mein Kind vielleicht nicht mehr aufwachen.

 

Mein Leben ist einfacher mit Martin, ich weiß nicht, wie ich ohne ihn leben soll, will auch noch gar nicht wissen, wie es sich anfühlt.

 

 

Sonntag, 9. Mai 2010 - Muttertag

 

Irgendwie kommt mir der Muttertag vor, wie eine groß angelegte Veräppelung  der Nation und fast Alle spielen mit.

 

Aber was solls, auch ein Muttertag geht vorüber und die Blumenhändler, Parfüm und Pralinenhersteller profitieren von diesem Tag.

 

Wir haben Martin wieder ein klein wenig Fruchteis in den Mund gegeben, es lief vor dem Block heraus, würde gnadenlos in der Lunge landen ohne das Tracheostoma.

 

 

Montag, 10. Mai 2010 - Jürgens 54. Geburtstag

 

Ohne große Feier. Ein wenig Kuchen für die Gruppe und ein deftiger Wurstsalat für Jürgens Kollegen für morgen müssen ausreichen.

 

Gestern, als wir am Gehen waren, kam Frau Hochstetter mit ihrem Sohn zu Martin und übergab Jürgen ein Geschenk. Ein weißes Handtuch, darauf gestickt sein Name "Jürgen". Frau Hochstetter stickt gerne. Bewundernswert, ich würde nur ständig in die Finger stechen.

 

Ich habe nur ein paar neue Hausschuhe und 8 Tafeln Schokolade für meinen Mann. Wir sind bescheiden und so wirklich einen großen Bahnhof haben wir noch nie an unseren Geburtstagen gemacht. Die Kids wollten eh immer zu MCD gehen zum Mittagessen und Nachmittags gibt es dann lecker Kuchen und abends ein Grillwürstle, Damit sind wir immer zufrieden. Für die Kinder gab es natürlich immer größere Feiern, solange sie es wollten.

 

 

Dienstag, 11. Mai 2010

 

Irgendwie ist es ein seltsames Gefühl, die Wohnung meiner Arbeitgeberin zu betreten, und sie ist nicht mehr dort. Ihr Atmen, Rufen und Schreien fehlt.

 

Ich kann in der Wohnung arbeiten, ohne nach ihr schauen zu müssen. Daran muss ich mich erst gewöhnen.

 

Martin hatte gute Laune, klar-Melanie hatte Dienst. Sie hat für ein Geburtstagsständchen für Jürgen gesorgt und ihm eine Flasche Markgröninger Wein in die Hand gedrückt.

 

Am Abend war für Martin noch Himmelszelt, das während eines heftigen Gewitters stattfand. Merkwürdiger Tagesausklang.

 

 

Mittwoch, 13. Mai 2010

 

Frau Hochstetter kam uns mit Martin auf dem Parkplatz entgegen. Sie war bei den Pferden mit Martin um ihn ein wenig ab zu lenken. Später hat Martin wieder sehr geweint. Wir müssen es doch irgendwie hin bekommen, dass Martin sich wieder gut fühlen kann und Freude entwickeln kann, so wie er sie früher immer hatte.