29. September bis 5. Oktober 2009
Dienstag, 29. September 2009
Heute bin ich bei einer lieben Bekannten zum Kaffee am Vormittag eingeladen. Ich muss Kraft dafür aufbringen zu ihr zu gehen, obwohl ich sie sehr gerne habe. Mir fehlt immer mehr Kraft.
Irgendwie habe ich das Gefühl, ich habe mich total verändert seit Martin auf der Intensivstation lag.
Ich kann nicht mehr so fröhlich und unbeschwert sein wie früher und kann keine großen Gesellschaften mehr ertragen. Ebenso ertrage ich es kaum noch, wenn ich spüre, Fragen, wie es mir oder Martin
geht, sind nicht ernst gemeint.
Kochen, Backen usw. macht mir keine Freude mehr und ich habe große Angst vor dem diesjährigen Weihnachten.
Seit der Misere mit meinem Job spüre ich, wie mein Selbstwertgefühl Stück für Stück weniger wird, dafür geht mein eh schon üppiges Gewicht stark nach oben.
Kann ich wieder so sein, wie früher?
Martin hatte erbrochen, kurz bevor ich am Abend zu ihm kam. Einfach so , ohne Grund. Die Dienst habende Pflegekraft hatte keine Zeit, ihn um zu ziehen, da sie alleine war. Das Gröbste habe ich oberflächlich entfernen können, dann mit Handtüchern abgedeckt.
Das Sekret aus Martins Lunge hat sich wieder verändert. Es ist milchig weiß und er muss ständig abgesaugt werden. Vielleicht war es ein Hustenanfall, der zu dem Erbrechen geführt hat.
Armer Martin. Wird sein Zustand je wieder gut werden? Wird er den kommenden Winter und die ganzen Infekte, die immer unterwegs in der kalten Jahreszeit überstehen?
Gestern Abend ging dann auch noch unser Drucker endgültig kaputt und wir mussten wieder investieren, damit ich weitere Bewerbungen schreiben kann. Ständig geht Etwas kaputt hier in letzter Zeit.
Mittwoch, 30. September 2009
Endlich ist der endgültige Entlassbericht aus dem KKH fertig. Nach fast drei Monaten und mehrmaligen Anrufen und Anschreiben mit der Bitte, den Bericht doch raus zu schicken an uns.
Bin mal gespannt, wann er auch uns erreicht. Wenn der Oberarzt zu seinen Aussagen steht, müssten Therapievorschläge zu erlesen sein und wir müssen wieder Kontakt mit dem Heimarzt aufnehmen um nach Verordnungen zu betteln.
Immer in der Hoffnung, dass es Martin vielleicht doch ein Stück weit besser kann und er noch ein paar gute Jahre leben darf.
So, wie es im Moment ist, hat sich die Lebensqualität für Martin nicht weiter erhöht und das macht es auch aus , dass es uns nicht mehr gut gehen kann.
Donnerstag, 1.Oktober 2009
Martins Husten wird immer schlimmer und das Sputum ist wieder ganz weiß und dünnflüssig. So sah es auch aus, als es Martin im KKH immer schlechter ging.
Eine neue Praktikantin hat auf der Gruppe angefangen die Martin sehr gut gefällt. Die junge Frau hat Angst vor Hunden, sogar vor unserem absolut harmlosen Nono. Ich hoffe, dass sich diese Angst legt, denn wir werden Nono immer mit bringen, wenn wir zu Besuch in die Gruppe kommen.
Freitag, 2. Oktober 2009
Letzten Samstag hatte ich auf ein Inserat unserer Tageszeitung geantwortet. Für eine 88jährige Frau wird eine Pflegerin gesucht. Dieses Inserat passte so gut zu meinen Inseraten, die ich schon öfters aufgegeben habe.
Gestern Abend rief ihre Tochter an und heute fahre ich zu der Familie , mich vorzustellen. Es ist nur eine kleine Anstellung und ich weiß nicht, ob ich diesen Job bekomme. Fahrzeit ca. 1 Std. einfach mit öffentlichen Verkehrsmitteln.
12.00 Uhr
Und nun gibt es von mir tatsächlich in Sachen Job etwas Neues. Ich kann offiziell ab 1.11.09 als persönliche Privatpflegerin 3x die Woche eine 88jährige Dame versorgen und
unterhalten und somit die pflegende Tochter entlasten.
Inoffiziell fange ich Montag an, mit einem Praktikum in diesem Pflegehaus.
Sind zwei nette Frauen, Chemie stimmt und ich hoffe, das Arbeitsamt macht mir keine Probleme deswegen. Der Verdienst ist nur knapp über 400 Euro, so dass ich gerade so krankenversichert usw. bin,
aber dafür ist es kein bisschen körperlich anstrengend und schwer. Lieber weniger Geld als nur Stress.
Hoffe es gibt keine Einwände vom Arbeitsamt aus. Dienstag habe ich wieder einen Termin dort.
In diesem Jahr werde ich Montag, Mittwoch, Freitag ab 13 Uhr meinen Dienst versehen, im nächsten Jahr wird sich etwas ändern an den Zeiten, da der Pflegeurlaub der Tochter ausläuft und sie wieder
arbeiten gehen wird. Ich bin auch gerne bereit, Ausnahmen zu machen bei Bedarf, bin ja flexibel.
Mit S-Bahn und Bus bin ich in 50 Minuten dort und zurück ebenso. Also Alles im grünen Bereich.
Nun hoffe ich nur, die alte Dame wird mindestens 98 Jahre alt, obwohl, so wie es aus schaut leider im Moment wohl eher nicht.
20.00 Uhr
Die Pastorin hat es tatsächlich geschafft, ein paar Leute zu motivieren, Martin zu besuchen. Auch Martins ehemalige Religionslehrerin a.D. , die im Kirchenkreis aktiv ist, und Martin freut sich sehr darüber. Ich bin erleichtert über diese Hilfe und sehr dankbar dafür.
Samstag, 3. Oktober 2009 - Tag der Deutschen Einheit
Die Nation feiert diesen Tag und ich würde mir wünschen, dass es auch endlich eine wirkliche Einheit wird.
Unsere Nachbarin kommt morgen aus dem Ägyptenurlaub zurück. Ich habe ihre Katze während ihres Urlaubs versorgt und war in Gedanken mit bei den Pyramiden unterwegs und bin auf einem lieben Kamel in der Wüste geritten.
Ob ich überhaupt noch, so wie ich es mir einmal erhofft hatte, die Welt zu sehen bekomme bevor ich sie wieder verlassen muss?
Jetzt muss ich mich auf Montag, meinen ersten Probeeinsatz bei der alten Dame konzentrieren und hoffen, sie findet einen Draht zu mir , heraus einer fremd bestimmten Welt.
Martin hat wieder Besuch von der Religionslehrerin bekommen und wir konnten hier zu Hause etwas weiter arbeiten, da wir nach vier Stunden Besuch gehen konnten. Das Büro musste gestrichen werden, wir haben einen neuen Schreibtisch bestellt. Im Keller gab es etwas zu fließen, bin aber noch nicht fertig damit, hatte doch zu wenig Material besorgt.
Jürgen hat glaube ich etwas vergessen beim Streichen. Naja, kann man ja nach holen.
Sonntag, 4. Oktober 2009
Heute Nachmittag erzählte uns eine Betreuerin von Martin, dass heute Vormittag 20 junge, hübsche Damen bei ihm waren, und ihm etwas vorgesungen haben. Ich schätze mal, dass es die Konfirmandinnen mit der Pastorin waren, die meinem Sohn eine Freude machen wollten.
Es sei so schön gewesen. Welch tolles, überraschendes Geschenk.
Dafür hat Martin dann wieder geweint, als wir gehen wollten.
Er versteht es einfach nicht, dass wir nicht den ganzen Tag bei ihm bleiben können.
Ich habe schon Angst vor den 14 Tagen, die Jürgen dienstlich gen Norden fahren muss, wie in jedem Jahr. Ich kann dann nicht jeden Tag zu Martin fahren, nur immer jeden zweiten Tag.
Montag, 5. Oktober 2009
Den ersten Nachmittag habe ich mit der alten Dame gut verbracht. Sie kann sich noch nicht auf mich einlassen. Es wird noch einige Besuche dauern, bis ich sie umsetzen darf, ohne dass sie schreit. Demenz in fort geschrittenen Stadium.
Aber wir haben ja Zeit, es drängt uns Niemand. Immerhin hat sie Getränke und den Kuchen von mir angenommen, und in 5 Stunden 10 Worte mit mir gewechselt, das ist ja auch schon was für den Anfang.
Jürgen sagte, Martin sei relativ gut davor gewesen heute Abend, nur einen größerer Hustenanfall habe er miterlebt.