3. November bis 9. November 2009
Dienstag, 3. November 2009 - Weltmännertag oder so
Da Ricky am Donnerstag kommen will, habe ich Martin heute erzählt, dass er am Donnerstag lieben Besuch bekommt, über den er sich sehr freuen wird.
Das hat dann doch ein Lächeln in Martins Gesicht gezaubert.
Im Moment zerbreche ich mir den Kopf, wie wir es schaffen könnten, ein größeres, rolligeeignetes Auto zu bekommen. Die Kinder über Weihnachten gar nicht nach Hause holen zu können, macht mir schon erhebliches Kopfzerbrechen. Auch weiß ich nicht, was die Mäuse davon halten, an diesen Festtagen in der Einrichtung zu bleiben.
Ich fühle mich immer noch so matschig und weiß schon jetzt, dass die Fahrerei, mit S-Bahn und Bus, morgen wieder ein Härtetest für mich wird. Würde am liebsten eine ganze Woche im Bett bleiben können.
Mittwoch, 4. November 2009
Martins Tag war wohl wieder nicht so prickelnd, wie Jürgen nach seinem Besuch berichtete.
Martin ist doch noch so jung und es ist kaum zu ertragen, dass er sein Leben nur noch passiv und mit erheblichen Ausfällen und auch mit Schmerzen erleben kann.
Eine Freundin sagte uns, wir sollen in unserer Kraft bleiben und ich weiß nicht mehr, wie das funktionieren soll. Wir bemühen uns redlich darum.
Immer wieder kommt der Gedanke in mir auf, Martin doch für ganz wieder nach Hause zu holen und auf der anderen Seite ist mir klar, dass er hier noch weniger Abwechslung hätte, als in der Wohngruppe.
Ich weiß schon lange nicht mehr was richtig oder falsch ist, zu entscheiden oder zu veranlassen.
Donnerstag, 5. November 2009
Inzwischen gibt es für mich arbeitstechnisch einen Grobplan für 2010.
Die Tochter der alten Dame, die von mir betreut wird, geht ab Januar 2010 wieder arbeiten.
Ihre Stunden liegen bei 19,5 pro Woche. Diese Stunden, zusätzlich der Fahrzeit, werden dann von mir abgedeckt. An meinen Einsatztagen wird dann kein Pflegedienst kommen und meine Stelle wird etwas erhöht in Zeit und Honorar.
Ricky hat uns wieder besucht und Martin hat gestrahlt, als er seinen großen Bruder kommen sah. Für Ricky ist es jedes Mal ein großer Aufwand von den Kilometern und der Fahrzeit her, für Martin ist der Besuch des großen Bruders ein großes, tolles Geschenk.
Heute Nacht habe ich das erste Mal sehr deutlich geträumt, dass Martin für immer einschlafen wird. In meinem Traum ist er sehr friedlich eingeschlafen und ich war bei ihm als er ging. Aber dieser Traum tut sehr weh. Dieses junge Leben soll schon einfach so vorbei sein?
Freitag, 6. November 2009
Ricky und ich haben gestern noch darüber geredet, wie wir Martin zu einem einfachen Kommunikationscomputer verhelfen können, den er vielleicht mit dem Mund zu bedienen lernen könnte.
Der große Power Talker, den wir zur Reparatur geschickt haben, wird wohl nicht
für Martins derzeitge Fähigkeiten um zu bauen sein
Leider sind schon die einfachsten Sprachcomputer so teuer, dass wir sie nicht selber erwerben können. Martin sollte aber irgendwie die Möglichkeit haben, es wenigstens versuchen zu können wieder kommunizieren zu lernen.
18.30 Uhr
Jürgen berichtete, dass Martin heute sehr gut davor war und dass er angestrengt versucht hat, Papa zu vermitteln, dass sein großer Bruder Ricky gestern bei ihm war. Hätte Jürgen dieses Hintergrundwissen nicht gehabt, hätte er auf jeden Fall aus Martins Augen und seiner Mimik gelesen, dass etwas Tolles passiert sein musste, dass er glücklich darüber ist.
Martin war ja immer so stolz darauf, einen großen Bruder zu haben, auch wenn er ihn in den letzten Jahren nicht so oft gesehen hat.
Wie deutlich uns wird, wie wertvoll es ist, eine liebevolle Familie zu haben.
Auch das macht Lebensqualität für Martin aus.
Samstag, 7. November 2009
Zumindest ist es mir heute gelungen, Martin mehrmals herzhaft zum Lachen zu bringen.
Unbeabsichtigt ist mir mehrmals ein Knautschiball, den Martin zum Geburtstag bekommen hat, runter gefallen und ich musste mehrmals unter sein Bett krabbeln, um das grüne, runde Monster wieder nach oben zu holen.
Manchmal scheint Martin für einen kurzen Moment sein Elend zu vergessen.
Sonntag, 8. November 2009
Martin hat heute wieder sehr viel geweint und wir hatten beim Gehen wieder voll das schlechte Gewissen.
Im Moment sind wir am Rätseln, wie wir für Martin Weihnachten und Silvester positiv gestalten können, aber so wirklich fällt uns einfach nichts Sinnvolles dazu ein.
Dieses Jahr werden es sicher die schlimmsten Feiertage überhaupt für uns Alle, weil einfach alles anders sein wird.
Mir geht es wieder weniger gut, ich bin müde und habe Kopfschmerzen. Jürgen ist nun auch ständig am Niesen.
Montag, 9. November 2009
Obwohl es mir bei der alten Dame und ihrer Tochter gut geht, vermisse ich meine vorherige Arbeitsstelle immer noch sehr. Ich denke ständig an die Bewohner und Kolleginnen, und hoffe, dass es ihnen Allen gut geht.
Es ist einfach immer noch ein Stück von meinem Herzen dort und ich kann es immer noch nicht verarbeiten, dass ich dort nicht mehr dazu gehöre.