4. August bis 10. August 2009

 

Dienstag, 4. August 2009

 

Ab heute ist das Antibiotikum nun definitiv ganz raus genommen aus der Medikamentation für Martin, ließ uns die Gruppenleiterin wissen.

 

Die Pastorin hat Martin am Nachmittag besucht, als wir auch bei ihm waren und sie will versuchen zu erreichen, dass Martin ab und an Besuch bekommt, von einem ausgebildeten Klinikclown, um etwas Freude in Martins Leben zu bringen. Wäre ja echt ganz toll, aber wird es einen Klinikclown geben, der ehrenamtlich wegen einem Menschen in die Einrichtung kommt?

 

Es werden auf jeden Fall  zwei  ehrenamtliche Mitarbeiter der Kirchengemeinde zu Besuch bei Martin kommen und wenn die Pastorin aus ihrem wohl verdienten  Urlaub zurück ist, wir auch sie weiter zu Martin kommen, wenn sie in der Einrichtung zu tun hat.

 

Ich bin froh, dass es diese Menschen gibt und dass Martin spüren darf, er ist nicht alleine.

 

Wir werden jeden Abend einen Feierabendbesuch bei Martin machen, und auch Steffi hat sich nun darauf eingerichtet, dass wir täglich in der Einrichtung zu sehen sind.

 

Heute hat Steffi  sogar freiwillig ihren vollen Wäschekorb in die Schmutzwäschesäcke sortiert, hierzu braucht sie ansonsten mehrere Aufforderungen. Natürlich wollte sie ein Lob von uns dafür hören.

 

Immer noch trage ich das Gefühl in mir, meine  Kinder wieder nach Hause holen zu müssen. Aber sie dürfen doch nicht anhängig von uns werden, das wäre für Niemanden wirklich gut. Ich bin so zwei gespalten in mir, immer noch.

 

Der alte Herr, mein Abendeinsatz, hat mir heute eröffnet, dass auch er zum 1.9.09 in ein Pflegeheim gehen wird und seine Frau , die schon seit ein paar Monaten in einem anderen Pflegeheim unter gebracht ist,  dann zu sich   holen wird.

 

Nach meinem Empfinden wird es auch langsam Zeit für diesen Schritt. Es ist viel geschehen in letzter Zeit und mit 92 Jahren ist das alleine leben nicht mehr so sicher, auch wenn die Kinder der alten Leute oft zu Besuch kommen und ich fast jeden Tag bis zu drei mal rein schaue.

 

Ich bin erleichtert über diesen Entschluss des alten Mannes und werde dann sicher öfters  einen Besuch in dem Pflegeheim machen. Nach so vielen Jahren will ich den Kontakt nicht einfach abbrechen. Das Heim liegt ziemlich auf dem Weg zu meiner derzeitigen Arbeitsstelle und ich kann einen Besuch vor dem Spätdienst einplanen.

 

 

Mittwoch, 5. August 2009

 

Wenn nur die große Hitze endlich bald vorüber wäre. Jürgen und ich würden uns am liebsten an den Nordpol verkriechen und Martin hat am Oberkörper einen tüchtigen Ausschlag. Ich denke, die Temperaturen sind da auch nicht unschuldig daran.

 

Das Trampolin der Gruppe wurde direkt vor Martins Fenster gestellt und für ein paar Minuten hat Steffi ihrem Bruder dann etwas vor gehüpft.

 

Wir hatten Martin gerade in sein Bett gelegt und er kann vom Bett aus , durch sein Fenster, genau auf das Trampolin sehen.

 

Irgendwie fühlt er sich im Moment nicht wirklich wohl im Rollstuhl, aber er muss sich wieder daran gewöhnen. Genauso, wie an die abendlichen Gymnastikübungen mit uns.

 

Die ersten zwei Wochen hatte der Heimarzt 3x KG verordnet und nun reduziert auf 2x. Nachvollziehen können wir nicht, warum.

 

Ist es Martin nicht mehr wert, sinnvoll therapiert zu werden, nötige Hilfe zu bekommen? Hat der Doc. mein Kind etwa schon auf gegeben? Soweit sind wir aber  noch lange nicht.

 

 

Donnerstag, 6. August 2009

 

Irgendwie kommt ein l meine Kraft, mein Willen, meine Kreativität nicht wieder zurück, so wie ich es gerne hätte und auch brauchen würde.

 

Selbst das Kuchenbacken geht nicht mehr so gut und dabei habe ich es frtüher so gerne gemacht. Nicht, dass ich die Rezepte vergessen hätte, die Lust und Power fehlen mir einfach dazu.

 

Jedes Jahr habe ich normalerweise schon im Sommer mit Basteleien und Vorbereitungen für Weihnachten begonnen und  sehr viel Marmelade gekocht.  Nun geht es geht einfach nicht mehr. So, als hätte mir Jemand die Sicherung für diesen Bereich aus geschaltet.

 

Es gibt so Vieles, das ich machen müsste, aber ich kann  es eeinfach nicht mehr.

 

20.00 Uhr

 

Wieder ein weinendes Kind angetroffen, wie fast jeden Abend.

 

Kann auch gut sein, dass es Martin absolut nicht  passt, dass ich nicht gleich nach der Arbeit zu ihm komme. Er soll doch nicht abhängig von uns werden, damit helfen wir ihm doch nicht wirklich auf Dauer.

 

Morgen Abend wird Jürgen alleine zu Martin fahren, da ich Spätdienst habe und vormittags habe ich selber einen Arzttermin, ich muss meine Zeit immer gut einteilen.

 

Den Heimarzt schreiben wir an, warum er die Verordnungen der KG reduziert hat und die Klinik, mit der Bitte den endgültigen Entlassbericht zu schreiben und uns eine Kopie zu senden.

 

Wir müssen erreichen, dass Martin wieder  3x KG pro Woche bekommt, damit wir wenigstens etwas für ihn, seinen Wiederaufbau  erreichen können.

 

Inzwischen ist der Muskelaufbau wieder soweit fort geschritten, dass ich Martin nach Bobath, ohne Lifter umsetzen kann, ohne dass seinem  Köpfchen etwas passiert dabei.

 

Aber es ist noch ein sehr langer Weg, bis er keine Nackenstützen benötigen wird, wenn dies überhaupt wieder erreicht werden kann.

 

 

Freitag, 7. August 2009

 

Hatte  heute mal bei der AOK angerufen und ein paar dumme Fragen gestellt betreffs wie oft der Doc KG verordnen kann und wieso er einfach, bei doch definitiv vorhandener, medizinischer Notwendigkeit, die Verordnungen wieder reduzieren kann.

Der Heimarzt arbeitet in einer Gemeinschaftspraxis und betreut das Heim, schon seit vielen Jahren.

Aus diesem Grunde bekommt er ein erweitertes Budget von der Kasse eingeräumt und damit kann er wohl gut wirtschaften und das nicht mal schlecht.

Rein theoretisch kann er Martin locker 5x KG pro Woche verordnen, er kann es frei entscheiden und beurteilen, wie er nun mal will.

Ich habe dann, wieder dumm, nachgefragt, ob die Kasse nicht einen Gutachter zu meinem Sohn schicken kann, der die Sachlage neutral auswertet und Vorschläge ob der Häufigkeit der notwendigen Therapien machen kann.

Nee, kann sie nicht--wieso auch?

Der Doc selber kann aber so ein Gutachten über die Kassenärztliche Vereinigung beantragen, aber es sei aber zu bezweifeln, ob uns das wirklich was bringt.

Leider könne man uns nicht helfen--aber immerhin-- alles Gute usw.

Nun stehen wir wieder mal auf einem Stück Schlauch und verstehen nur Bahnhof.

Martin ist doch definitiv auf diesen Wiederaufbau angewiesen, bestimmt noch in der Häufigkeit ein halbes Jahr oder sogar länger.

Jürgen war heute Nachmittag bei Martin und hat ein bisschen Freude von Martin  miterlebt. Ein Bewohner der Gruppe hatte laut gepupst im Tagesraum und damit ein Lächeln in  Martins  Gesicht gezaubert. Ist das nicht süß? Wie einfach es doch ist, meinem Kind eine Freude zu machen.

 

Melli hatte am  Abend ein paar logopädische Übungen mit Martin gemacht und die Logopädin bat darum, dass wir Plastiklöffel für Martin kaufen.

 

Wäre das schön, wenn irgendwann die Nachricht von ihr käme, dass das Schlucken wieder funktioniert und die Kanüle zurück verlegt werden kann. Das ist ein wirklich schöner Traum.

 

 

Samstag, 9. August 2009

 

Wieder Einkaufstag, auch für Steffi. Steffi wartet immer sehnsüchtig darauf, dass wir mit ihr in den Supermarkt fahren. Aber nicht etwa in irgendeinen Supermarkt. Es gibt in Asperg nur eine Marktkauf Filiale, die Gnade in Steffis kritischen Kundenaugen gefunden hat.

 

Wahrscheinlich, weil das Angebot in diesem Supermarkt breit gefächert ist, aber doch ziemlich gleich bleibend.  Steffi weiß in aller Regel, was sie jeweils erwerben will und ist dann für einige Zeit für unsere Augen unsichtbar, in diesem Supermarkt. Natürlich dürfen wir an der Kasse das Finanzielle erledigen.

 

Versuchen wir, mit Steffi einen anderen Supermarkt an zu steuern, ist sie am meckern.

 

20.00 Uhr

 

 


Sehr geehrter Herr Dr.,

inzwischen haben wir erfahren, dass Sie künftig nur noch zweimal pro Woche Krankengymnastik für unser Mündel Martin B. verordnet haben. Wir bitten insoweit um Mitteilung, welche medizinischen Erkenntnisse Sie seit seiner Entlassung aus dem Krankenhaus gewonnen haben, die eine Reduzierung der Krankengymnastik rechtfertigt.

Mit freundlichen Grüßen

 

Wir sind uns ziemlich sicher, dass wir auf dieses Schreiben nie eine Antwort erhalten werden, aber vielleicht bewirkt es ja ein Nachdenken.

 

 


Die Gruppe hatte einen Anruf von der AOK bekommen, wann Martin wieder arbeiten gehen wird. Tja, hm, äh also -wissen wir noch nicht. Ich denke nicht, dass Martin es je wieder schaffen kann, in der Werkstatt zu arbeiten. Das wäre dann ein wirkliches Wunder.

Es ist ein großes Trauerspiel, egal von welcher Seite man es anschaut.

Heute hat Martin fast den ganzen Tag nur geweint. Er war nicht zu ermuntern oder ab zu lenken.

 

Draußen ist Gewitterluft, vielleicht liegt es auch daran.  Ich werde heute selber früh zu Bett gehen, da ich fiese Kopfschmerzen habe.

 

 

Sonntag, 9. August 2009

 

Ganz überraschend kam Martins Freundin Tanja am Nachmittag ins Zimmer.

 

Martin hat sie richtig gehend angestrahlt. Aber mehr, als einfach nur dasitzen konnte sie nicht. Sie scheint es auch nicht zu verstehen, dass Martin verstehen und hören kann. Die geistige Behinderung der jungen Dame lässt es wohl leider nicht zu. Man überschätzt Tanja schnell, da sie so lebendig und selbstständig ist, eigentlich.

 

Ich habe mich zurückgezogen, aber an meiner Anwesenheit lag es nicht, die hat Tanja früher nie wirklich gestört und mit mir redet sie ja auch.

 

Nach einer Weile war sie dann, klammheimlich,  wieder verschwunden.

 

Es tut mir so leid für Martin und ich kann sein Weinen nur allzu gut verstehen.

 

Heute Vormittag, während des Gottesdienstes hat ein Bewohner den Geldbeutel der Pastorin aus dem Nebenraum der Mehrzweckhalle geklaut. Zum Glück wurde der Geldbeutel bei ihm noch rechtzeitig gefunden. Leider gibt es in der Einrichtung auch Bewohner, die nicht so unkompliziert und ehrenhaft sind.

 

 

Wir mussten das auch schon erfahren und haben gelernt daraus. Keine Tasche mit Geldbeutel unbeaufsichtigt stehen lassen, nichts wertvolles in Jackentasschen belassen.

 

 

Montag, 10. August 2009

 

Heute wurde ich endlich einmal wieder angelächelt zur Begrüßung von meinem Sohnemann. Es hielt aber nicht lange vor.

 

Absaugen war mehrmals nötig und bevor es wieder zu regnen begann, haben wir, nachdem die Flüssigkeitszufuhr durch gelaufen war, noch ein paar Minuten draußen, auf dem Gelände verbringen können.

 

Irgendwie ist Martin gelöster, wenn wir ihn, bevor wir gehen, in sein Bett legen.

 

Vielleicht hat er ja wirklich, wenn er im Rolli sitzt, Schmerzen. Da er uns nicht so genau mitteilen kann, warum er ständig am Weinen ist, teilweise auch richtig verzweifelt, können wir es nur vermuten.

 

Morgen will Ricky wieder zu Besuch kommen, eventuell kommt seine Freundin auch mit. Ich habe Martin lieben Besuch angekündigt, aber nicht verraten, wer kommt.

 

Mein Bärchen hat gelächelt und mir so gesagt, dann freu ich mich darauf .

 

Ich selber habe Spätdienst und werde erst übermorgen wieder meine Kleinen besuchen.

 

Da Jürgen am Abend noch zu Martin fährt, hat Martin dann reichlich Ansprache und Abwechslung und ich muss mir darum keine Sorgen machen.