8. Dezember bis 14. Dezember 2009

 

Dienstag, 8. Dezember 2009

 

Martin war wieder schrecklich am Weinen an diesem Nachmitta. Es könnte sein, dass er die Windel voll hat, wurde uns von einer Betreuerin gesagt. Nachdem seine Nahrung durchgelaufen war, haben wir Martin ins Bett gelegt, um ihn zu wickeln.

 

Der Inhalt seiner Windel hätte locker für 3 Tage ausgereicht. Kein Wunder, dass er sich damit nicht mehr wohl gefühlt hat.  Wenigstens scheint die Verdauung gut zu funktionieren. Seit Martin nur noch mit Sondennahrung ernährt werden kann, ist es heftig mit der Ausscheidung und ich kann mir sehr gut vorstellen, wie unangenehm es sich anfühlen muss so im Rollstuhl zu sitzen. Martin hat allen Grund zum Weinen.

 

 

Mittwoch, 9. Dezember 2009

 

Die anderen Bewohner, die letzte Woche noch nicht mit zum Weihnachtsmarkt gefahren waren, kamen heute dran. Steffi durfte wieder mitgehen, sie kann ganz gut einen Rollstuhl schieben und ist so eine echte Hilfe bei solchen Unternehmungen, bei denen es eigentlich auch immer viel zu wenig Personal ist.

 

Für Martin hoffen wir nur, dass es ihm im nächsten Jahr wieder möglich ist, an solchen Aktivitäten teil  nehmen zu können und dass seine Schonzeit dann vorbei sein darf, es ihm wieder besser geht und er auch einen Ausflug in den Winter gut packt.

 

 

Donnerstag, 10. Dezember 2009

 

Wieder habe ich einen  Zahnarzttermin. Und wieder war ich total erledigt danach. Braucht bestimmt wieder drei Tage, bis ich wieder richtig kauen kann und sich das nun schmerzende Zahnfleisch beruhigt hat.

 

Am 22.12.09 soll es weiter gehen, phh.

 

Steffis Haut an ihren Händchen sieht so alt aus und rau. Menschen mit Down Syndrom altern schneller und mit ihren 24 Jahren sehen ihre Händchen aus, als hätten sie schon 70 Jahre lang schwer gearbeitet. Immer wieder erinnere ich meine Tochter daran, doch ihre Händchen immer ein zu cremen , sie kann es aber nicht nach voll ziehen und denkt dann eben nicht ans eincremen, was aber so wichtig wäre.

 

Am 15. wird Steffi zum Jahresabschluss mit dem Lebenshilfetanzkurs nochmals  den Ludwigsburger Weihnachtsmarkt besuchen. Inzwischen muss sie sich dort schon sehr gut auskennen. Sie freut sich darauf.

 

 

Freitag, 11. Dezember 2009

 

Weihnachten rückt immer näher und meine Angst vor diesen Tagen wird immer größer. Ich habe das Gefühl für Martin nicht genug und das Richtige zu tun. Im Moment habe ich das Gefühl, wieder mal am Ende meiner Kräfte angelangt zu sein.

 

 

Samstag, 12. Dezember 2009

 

Martins Temperatur ist zwar nur minimal höher, aber er fühlt sich  nicht wirklich gut. Hoffentlich  ist keine Grippe im Anzug. Die meisten Menschen um ihn herum sind irgendwie krank im Moment und sicherlich bringen auch die Mitarbeiter und Therapeuten, die krank zum Dienst erscheinen müssen, weil es keinen Ersatz für sie gibt, auch das eine oder andere Bazillchen mit in die Einrichtung.

 

Sonntag, 13.12.09  der erste Schnee in diesem Winter bei uns

 

Der tolle Gottesdienst mit Krippenspiel fand heute in der Simultankirche der Einrichtung statt.

 

Melanie hatte Martin vorher mit mir zusammen gebadet. Er wollte nicht so richtig aufwachen, kam mir heiß vor am Körper. 37,4 Grad. Hoffentlich wird die Temperatur nicht höher. Immer habe ich Angst im Bauch es könnte alles noch schlimmer werden.

 

Der Gottesdienst war die zweite Veranstaltung, an der wir mit Martin teil nahmen in diesem Jahr. Martin muss sich erst wieder an so viele Menschen und Trubel um ihn herum gewöhnen. Früher hat er es genossen, so mittendrin, das Hähnchen im  Körbchen zu sein. Heute fühlt er sich unwohl und hat phasenweise Angst.

 

Martin wurde von vielen Menschen ganz lieb begrüßt, sogar mit den Worten, das sei das schönste Weihnachtsgeschenk, dass er zu diesem Gottesdienst kommen konnte. Ich muss mich zwingen, meine Tränen zurück zu halten.

 

Und dann war wieder Martins  frühere Freundin  Tanja da, die mitspielte, beim Krippenspiel und Martin wieder nicht anschaute und kein bisschen beachtete. Martin wurde immer ruhiger, die letzten 15 Minuten hat er nur geweint. Dem armen jungen Mann, fiel so richtig das Leben aus dem Gesicht. Das Gefühl muss schlimmer sein, als Liebeskummer, das mein armes Kind nun ertragen muss.

 

Die junge Frau versteht nicht, wie wichtig sie für Martin, gerade jetzt wäre, und der junge Mann leidet so sehr. Früher waren die Beiden so oft zusammen und Tanja hat einfach zu Martins Leben gehört.

 

Als wir zurück zur Gruppe kamen, nach dem Gottesdienst, war der Intensivpfleger schon da, um Martins  Kanüle zu wechseln. Eigentlich keine große Sache, aber für Martin alle vier Wochen immer noch eine große Qual, mit danach anhaltend heftigem Erbrechen an diesem Tag.

 

Jürgen hatte ein Schachturnier am Vormittag, hatte es aber doch zeitlich  noch geschafft mich nach dem Gottesdienst abzuholen, damit wir zu Hause etwas essen konnten um danach wieder zur Einrichtung zu fahren.

 

Martin durfte den Rest des Tages im Bett verbringen, damit er sich besser beruhigen konnte, und  morgen vielleicht wieder besser drauf  ist.

 

 

Wir haben uns gemeinsam einen Jugendfilm angeschaut, mit Martin geknuddelt und beruhigend auf unser Kind eingeredet, damit er sich nicht in die Hustenanfälle reinsteigert, nicht weiter erbricht durch das heftige Husten.

 

Klaus, sein  Nachbar aus dem Zimmer nebenan, kam zu uns und brachte Martin zum Lachen, weil er beim Rangieren mit seinem Rollstuhl alles Mögliche ankarrte. Da war sie wieder, diese Schadenfreude. Für diesen Moment hat Martin seine Trauer und sein Unwohlsein  um sich herum  vergessen.

 

Ich hoffe, der morgige Tag bringt wieder mehr Freude mit sich und vielleicht einen Schneeball in Martins Leben. Oder Klaus muß in Martins Nähe wieder fahren auf engstem Raum üben.

 

 

Montag, 14. Dezember 2009

 

Mit dem Schnee war es dann doch nichts, es hat einfach wieder aufgehört zu schneien und Martin hatte wohl heute wieder einen schlechten, weinerlichen Tag.

 

Wie gut würde es ihm tun, wenn seine frühere Freundin wenigstens ab und an zu ihm kommen würde und sein Händchen streicheln würde. Schade, dass sie es so gar nicht verstehen kann.

 

Morgen ist die kleine Weihnachtsfeier von der Tagesbetreuung, die Martin ab und an  besucht, wenn es vom Thema des Tages her passt. Es ist ein klein wenig Abwechslung in seinem grau gewordenen Alltag.

 

Da wir die Mitarbeiter und die Teilnehmer der Tagesbetreuung nicht weiter kennen, werden wir mit Martin zusammen an der Feier teilnehmen. Jürgen hat sogar auf seine Dezernatsweihnachtsfeier verzichtet und ich habe morgen frei, so dass wir uns den Besuch leisten können.