8. September bis 14. September
Dienstag, 8. September 2009
Schon wieder eine Bullenhitze, meine Güte. Im Bus heute Nachmittag, als ich zur Spätschicht fuhr, wurde mir fast übel, es war kaum noch Sauertoff in dem geschlossenen Bus.
Martin sonderte heute etwas weniger Schleim ab, meinte Jürgen nach seinem Nachmittagsbesuch bei Martin. Ist das nun ein gutes Zeichen?
Mittwoch, 9. September 2009
So langsam fange ich an, mich von meiner Arbeitsstelle endgültig zu verabschieden. Ich muss es zum größten Teil wirklich intern abhandeln und werde es nur wenigen Kolleginnen erzählen. Meiner Lieblingskollegin wollte ich es nicht erzählen, weil sie eine so lange Autofahrt nach Polen und zurück vor sich hat, um ihre Töchter, die über die Ferien bei den Großeltern waren, wieder ab zu holen. Ich wollte nicht, dass sie mit diesen traurigen Gedanken im Kopf fahren muss. Es wird noch schlimm genug für uns Beide wenn sie zurück kommt.
Es tut mir weh und ich kann absolut nichts ändern daran.
Was mir morgen wohl der Vorstellungstermin bringt? Ich bin total nervös deswegen, habe doch nicht wirklich Übung in sowas.
Ich habe Martin davon erzählt und er hat mich angelächelt. Sollte wohl heißen, dann mal alles Gute Mama. Er kann immer noch so lieb und nett denken in seinem Elend und es mir auch zeigen.
Dann musste er wieder weinen, weil er nicht mehr zur Werkstatt fahren kann, sich nicht mehr bewegen kann. Nicht einmal wehren konnte er sich, als ein Mitbewohner auf dem Kopfteil seines Rollis rum getrommelt hat.
Ist Martins Lebensqualität wirklich schon ganz verschwunden? Wird nicht wenigstens ein klein wenig Bewegung uns sich wehren können wieder möglich sein?
Donnerstag, 10. September 2009
Mal unabhängig dass ich Bewerbungsgespräche gar nicht mag, habe ich dieses Gespräch heute wohl gut bewältigt.
Muss am nächsten Dienstag noch von 6.15 Uhr bis 14 Uhr hospitieren, oder was auch immer, danach noch ein Gespräch mit der Hausleitung und ich denke, dass ich dann einen Vertrag bekommen kann. Habe ein ganz gutes Gefühl bei der Sache. Wenn ich dann um 15.15 Uhr nach Hause komme, weiß ich mehr.
In dieser Einrichtung werden löblicher Weise ganz bewusst auch ältere Pflegekräfte eingestellt, weil die Nähe zu den Senioren vom Alter her auch ein Wohlfühlfaktor sein kann für die Bewohner.
Bin, wenn, dann wohl vorgesehen für den "behüteten" Wohnbereich. Dort kann Niemand so ohne weiteres weg laufen.
Gesehen habe ich den Bereich noch nicht, aber ich habe ja grundsätzlich keine Probleme mit der Pflege dementer Menschen.
Freitag, 11. September 2009
Dieser Tag macht mir immer noch Angst. Jedes Jahr bete ich, dass sich nicht wiederholt, was 2001 in den USA passiert ist. Ich habe Angst, dass irgendwann eine Serie aus diesen Massenmorden wird und die Menschen nur noch in Angst leben müssen.
Seit gestern ist meine Lieblingskollegin wieder aus Polen zurück. Gleich am Abend rief sie bei mir an und ich musste ihr nun erzählen, dass ich gehen muss. Sie ist fassungslos und traurig. Wir hatten immer eine 100% Übereinstimmung, haben uns auch ohne zu Reden verstanden. Was sie nun ohne mich machen soll, hat sie gefragt und sie kann nicht verstehen, wieso man uns so etwas antut.
Sie muss nun die Aufgabe übernehmen, den Bewohnern, die nach mir fragen, wenn ich weg bin , zu erklären, dass mein Vertrag nicht verlängert wurde und ich es nicht übers Herz gebracht habe, mich von Jedem zu verabschieden, weil ich Niemanden traurig machen will und nicht den ganzen Arbeitstag weinend verbringen kann.
Sie hat Angst, dass ich den neuen Aufgaben körperlich nichts gewachsen bin, auch, weil die Schichten doch sehr lange sind. Ich weiß es selber nicht, ob ich es noch kann, ob mein Körper noch mit macht, ich muss es einfach versuchen. Ohne ein kleines Einkommen durch mich, können wir die nächsten Jahre nicht ohne Probleme überstehen.
Eine Kollegin wie sie werde ich sicher an meinem neuen Arbeitsplatz nicht wieder finden. Es sind wirklich 100% Verstehen und Gleichklang. Eine Rarität des Lebens.
Samstag, 12. September 2009
Jürgen war heute alleine bei den Kiddis – ich hatte geteilten Dienst---und er meinte, dass es Martin heute mal ziemlich gut ging zur Abwechslung. Martin hat viel gelächelt und musste nicht so häufig abgesaugt werden, wie an den letzten Tagen.
Steffi hatte schon im Eingangsbereich auf Jürgen gewartet, damit Steffi zu ihrer geliebten Einkaufstour chauffiert wird.
Meine Lieblingskollegin ist hoffentlich nicht gerade dabei, sich Ärger wegen mir ein zu handeln.
Sie will es nicht hinnehmen, dass ich so einfach gehen muss. Das Team hätte gefragt werden müssen, sagt sie. Nun will sie mit den anderen Kolleginnen reden und dann will sie die Führungsebene zur Rede stellen und verlangen, dass ich in der Einrichtung weiter arbeiten darf.
Ich möchte nicht, dass Jemand wegen mir Ärger bekommt und bin mir sehr sicher, dass bei diesem Vorhaben nichts Gutes dabei heraus kommen wird.
Aber wenn ich ehrlich bin, hätte es meine Kollegin getroffen, hätte ich wohl ähnlich reagiert.
Sie kam heute Nachmittag und wartete auf mich vor dem Eingang, damit wir noch ein paar Worte reden konnten, uns nochmals umarmen können, bevor ich mit dem Dienst anfangen musste.
Unsere älteste Bewohnerin kam mit ihrem Rollator des Weges und sprach meine Kollegin darauf an, dass sie in der Nacht von ihr geträumt hätte. Sie hätte gegen etwas rebelliert was ungerecht ist.
Mir liefen nur noch die Tränen. Nun spüren die Menschen im Haus die traurigen Schwingungen schon und die alte Frau träumt genau in dieser Zeit, was in der Luft hängt.
Irgendwie wird durch die Tatsache, dass ich gehen muss, ein ganzes Netzwerk von Zuneigung, Liebe und Verstehen zerstört. Ich habe das Gefühl, entwurzelt zu werden.
Sonntag, 13. September 2009
Wahrscheinlich wohl durch den etwas heftigen Herbstwind, den Martin durch seine Nase massig einatmen musste, begann unser Junge heute bei einem kleinen Spaziergang, plötzlich sehr viel Schleim zu erbrechen.
Wir können uns einfach nicht mehr vom Grundstück der Einrichtung weg bewegen, es ist zum Haare ausraufen.
Dabei hatten wir so schöne Kastanien und Äpfel aufgelesen, wir haben so richtig den Herbst gefunden, wie in jedem Jahr. Die Herbsttage, wenn es nicht so heiß draußen ist und die Natur sich ein wunderschönes, buntes Kleid anzieht, haben wir immer genossen.
Montag, 14. September 2009
Was können wir Martin nur zu Geburtstag schenken?
Ich habe das Gefühl, dass Martin gar nichts mehr haben will, weil er weiß, dass er selber nichts mehr mit den Dingen machen kann.
Es ist so grausam.