Zwei Jahre geschafft

Martin hat wieder Freude am Leben

 

 

Ich kann es immer noch nicht fassen und bin sehr glücklich darüber, dass mein lieber Martin es wirklich geschafft hat, mit all den Einschränkungen, erhöhter Infektanfälligkeit und  allen heftigen Veränderungen, an seinem Leben fest zu halten und dass Martin  noch immer bei uns sein darf.

 

Martins  Leben ist wieder mit soviel Freude erfüllt und in der gesamten Einrichtung, unter den zahlreichen Bewohnern, ist Martin der totale Gutelaunebär, genauso, wie er es auch vor der schrecklichen Hirnblutung am

1. Mai 2009 war. Martin war im Vergleich zu anderen Menschen,  mindestens zu 80% seiner Lebenszeit sehr gut drauf, föhlich und liebevoll, die verbleibenden 20%, da war mein Kind krank oder hatte Angst und konnte aus diesen Gründen natürlich nicht immer zu 100% ein Strahlemann sein.

 

Aber wer hat das schon, das es ihm zu ganzen 80% gut gehen darf? Ein schönes, kostbares Geschenk des Lebens.

 

Inzwischen hat Martin  seine Vitalität blockierenden Veränderungen akzeptiert und angenommen auch wenn noch oft zu merken ist, dass es Martin wurmt, nichts von all den Leckereien um ihn herum, essen und trinken zu dürfen. Erst durch Martins neu erworbene Einschränkungen fällt uns so richtig auf, wie viel Tageszeit und Planung für Feierlichkeiten und den Tagesverlauf doch mit dem Thema essen und trinken verbracht werden und was tatsächlich an Lebensqualität und Geselligkeit auf der Strecke bleibt, wenn ein Mensch sich nicht mehr normal, oral ernähren darf oder kann.

 

Seit klar ist, dass ich Diabetiker bin, musste ich ja auch ein ganz anderes Ernährungsprinzip für mich austüfteln, mit dem ich sicher noch ein paar Jahre ohne Insulin spritzen zu müssen, nur mit zwei Tabletten täglich, gut über die Runden komme. Aber mit diesem so ziemlich kohlehydratfreien Ernährungsplan  muss ich auf vieles achten und kann nicht mehr einfach so, einfach irgendetwas essen. Wenn ich bei Einladung Angebotenes ablehnung, muss ich immer rechtfertigen, warum und weshalb und nicht immer werde ich ernst genommen damit.

 

So kann ich mich mit Martin bei Feierlichkeiten mit lecker Essen immer getrost zurück lehnen an einer festlich gedeckten Tafel und wir Beide dürfen  dann halt nur zuschauen und uns daran freuen, wenn es den Anderen gut schmeckt. Oft schaut mich Martin an, wenn seine Mitmenschen z. B. zu Kaffee mit Kuchen eingeladen werden und seine Augen fragen mich, „Mama darf ich nicht vielleicht doch“? und ich muss dann zu meinem Kind sagen, „ Nein mein Schatz, wir Beide dürfen nicht.“ So ist es zu unserem Ritual geworden und dabei bemitleiden wir uns ein bisschen gegenseitig. Das dürfen wir ja auch, oder?

 

Dass Martin nicht mehr mit seinem E-Rolli eigenständig seiner Wege rollen kann ist ein weiterer, trauriger  Punkt in Martins Leben. Mit dieser Einschränkung, sich nicht mehr bewegen zu können wurde Martins Freiheit genommen, die für ihn so wichtig war.

 

Aber, Martin flirtet wieder liebend gerne mit jungen Damen und schafft es tatsächlich sehr häufig, seinen Willen so zu äußern durch Mimik, Körperhaltung  und Atmung, dass er tatsächlich richtig verstanden wird, auch wie ich vor ein paar Tagen  mit erleben durfte, von einer jungen Dame, die Martin erst in seinem jetzigen Zustand kennen gelernt hat. Und Martin spürt wieder sehr genau, wer sich die Mühe machen will ihn zu verstehen und sich auf ihn einlassen will.

 

Wenn unser  Papa bei unseren abendlichen Besuchen in der Gruppe, Stefanie foppen will und ein bisschen so tut, als wolle er etwas von Steffis Abendbrot mopsen, richtet Martin seinen Oberkörper etwas auf und wirft Papa böse Blicke entgegen. Früher hätte der bei solchen Aktionen laut hör auf geschrien und mit seinem linken  Zeigefinger  gedroht, aber heute verteidigt er das Abendbrot seiner Schwester mindestens genau so energisch, wenn auch auf eine andere Art und Weise.

 

Steffi bezieht ihren Bruder oft wieder in ihre kleine Welt mit ein und vor allem, ruft sie wieder nach ihrem Bruder ,  wenn sie seinen Beistand haben will. Der Teamgeist ist wieder auf erstanden, auch wenn es bei Steffi wirklich sehr lange Zeit gebraucht hat, bis sie Martin wieder erkennen und spüren konnte.

 

Martin versteht alles, was um ihn herum passiert, reagiert auf alles und hat die Gabe in sich, von Herzen glücklich sein zu können. Er ist immer noch bescheiden und freut sich über ein lieb gesagtes Wort, ein Lachen, ein bisschen Blödsinn machen, Zärtlichkeit und Zuwendung mehr, wie über  materielle Dinge.

 

Unter den Mitarbeitern der Gruppe hat er natürlich auch seine Lieblinge, weil er oft in die Menschen hinein sehen kann und deutlich spürt, wer  nicht nur funktional sondern auch mit dem Herzen arbeitet. So ist es schon immer mit meinem Kind gewesen und mein Sohn fühlt sich halt nur wirklich sicher, wenn er spüren kann, dass die Chemie zu dem Gegenüber stimmt. In seiner eigentlich, völlig hilflosen Situation ist dies auch mehr wie verständlich und nach voll ziehbar.

 

Wir wünschen Martin und uns als Familie, dass er genau diese beneidenswerte Kraft noch lange in sich tragen darf. Martin ist für uns ein Engel auf Erden und Menschen mit seinem Gemüt und seinem lieben Charakter brauchen wir doch so dringend an unserer Seite damit es uns gut gehen kann.